Wenn Melissa Lamy von sich erzählt, dann ist das immer ganz ruhig und unaufgeregt. Dabei führt sie gemeinsam mit ihrem Mann als Geschäftsführerin ein großes Wirtshaus in München und hat – so ganz nebenbei – noch zwei Kinder großgezogen. Bei ihr klingt das ganz einfach – fast immer.
Die Vorgeschichte
Schon während ihrer Zeit am Gymnasium hat Melissa Lamy im angesagtesten Lokal ihrer unterfränkischen Heimatsstadt gejobbt. Wobei sie schmunzelnd betont: „Ich komme aus einer sehr kleinen Stadt“. Weil sie dort von Anfang an viel Verantwortung übernehmen durfte, was das „mittelmäßige“ Abitur gar nicht schlimm. Denn sie wollte ohnehin nicht studieren, sondern lieber „vom Leben lernen“. Also ging es zusammen mit einer Freundin ab in die Großstadt nach München. Und erstaunlicherweise (in Anbetracht des Münchner Wohnungsmarktes) fanden die beiden schnell eine gemeinsame Wohnung.
Melissa arbeitete zunächst in einer PR-Agentur, doch schon bald lockte wieder die Gastronomie, sie fing im Café Atlas an (das zu den Gastrobetrieben von Iris Berben und Gabriel Levy gehörte). Dort blieb sie vier Jahre und übernahm dann bei der Eröffnung des Restaurants Pasha die Serviceleitung. Um sich fachlich weiterzubilden, machte sie etwas später eine Umschulung zur Veranstaltungsfachfrau – und lernte dabei ihren jetzigen Mann kennen. Und dann fügt sie ganz lapidar hinzu:
„Dann kamen zwei Kinder und 2008 der Georgenhof“.
Das sagst Du sehr bescheiden. Der Georgenhof ist ein großes wunderschönes Wirtshaus in München Schwabing, im Besitz der Augustiner Brauerei. Insgesamt 200 Sitzplätze und im Sommer der Biergarten. So ein Objekt fällt einem ja nicht einfach zu.
Nein, wir hatten uns schon bewusst dafür beworben, ganz klassisch. Übrigens eigentlich für’s Platzl (Traditionshaus in der Stadtmitte), aber als wir das nicht bekommen hatten, sind wir hier über die Roh-Umbau-Stelle gelaufen und haben uns entschlossen, ins kalte Wasser zu springen.
Ihr wart beide vorher noch nie selbstständig?
Nein, und wir hatte auch noch nie gemeinsam an einem Objekt gearbeitet. Irgendwie war es also unser drittes Baby. Unsere beiden „echten“ Kinder waren zu diesem Zeitpunkt zwei und vier Jahre alt.
Hattest du davor (also währen der ersten Jahre der Kinder) schon wieder gearbeitet?
Ja, kurz bevor wir den Zuschlag für den Georgenhof bekommen hatten, habe ich eine Zeitlang in einer Privatbank gearbeitet.
Zwei und vier Jahre alte Kinder und eine gemeinsame Selbstständigkeit in der Gastronomie – da gehört ganz schön Mut dazu.
(sie lacht) Ja, da war ich auch noch ein bisschen jünger und hab‘ gedacht: „Das schaffst Du doch total locker“. Nein, im Ernst: Uns beiden war klar, dass wir diesen Schritt entweder jetzt, bzw. damals, oder nie machen würden. Es ist ja auch ein wunderschönes Objekt. Aber leicht war es wirklich nicht.
Es war nicht leicht Familie und Georgenhof miteinander zu vereinbaren?
Ich selbst bin sehr wohlgehütet aufgewachsen, meine Mutter war immer da. Mein Mann und ich haben natürlich ein Aupairmädchen geholt und später auch ein Kindermädchen. Aber das war eine sehr ungewohnte Situation. Gerade ich, als doch sehr emotionaler Mensch, musste mich erst einmal daran gewöhnen, die Kinder dann immer oder zumindest sehr oft zu Hause zu lassen.
Würdest Du es wieder so machen?
Ja, denn wir haben es gemeistert und die Arbeit hat sich gelohnt. Wir haben hier etwas Tolles aufgebaut haben, das funktioniert. Aber man muss halt einfach dranbleiben und zusammenhalten.
Es ist natürlich DAS große Thema: Wie gehen Gastro und Familie zusammen? Aber ich denke doch – auch wenn ich (da ich keine Kinder habe) nicht aus eigener Erfahrung sprechen kann – dass es ein sehr befriedigendes Gefühl ist, wenn man es schafft, Beruf und Familie zu verbinden.
Da gehört natürlich das Umfeld dazu, auch und vor allem ein Partner, der mitspielt.
Das sehe ich auch so. Aber ich sehe auch, daß das bei jüngeren Frauen schon ein bisschen besser funktioniert. Zu uns kommen auch oft mal Männer alleine mit Kind – das hat es vor 20, 30 Jahren noch nicht gegeben. Immerhin …
Stimmt, aber ich glaube, der Hauptteil der Kinderbetreuung (und Haushaltskoordination) liegt trotzdem noch immer bei den Müttern.
Zynisch gesagt, wird heute jeder Mann gefeiert, der mal vier Wochen Elternzeit nimmt. Ja, ich finde es gut, dass das überhaupt stattfindet. Aber das ändert die Gesamtsituation natürlich noch nicht.
Aber zurück zu Dir. Wie ging es Dir?
Ich war schon froh, dass ich die ersten zwei Jahre bei beiden Kindern zu Hause war – das war auch die schönste Zeit für beide. Aber du merkst dann auch: „Was ich soll ich ihnen denn jetzt noch geben? Ich hab‘ gesehen dass sie auch noch andere Kinder brauchen. Von daher war es völlig ok, dass meine Tochter mit zweieinhalb in den Kindergarten kam und mein Sohn mit zwei Jahren. Ich hätte mir auch für mich selbst nicht vorstellen können, nur zu Hause zu bleiben.
Heute sind sie 14 und 16. Haben sie heute ein Problem damit, dass die Eltern in der Gastronomie sind?
Nein gar nicht. Ich glaube Anna ist jetzt gerade in so einem Alter, indem sie das sogar ganz cool findet.
Interessieren Sie sich für Gastroberufe?
Ob die beiden hier jemals einstigen werden? Das glaube ich eher nicht. Anna ist gar nicht der Typ dafür und bei Veith muss man mal sehen. Das ist ohnehin noch zu früh. Aber sie sollen sich auch ihren Weg selbst aussuchen. Mein Mann und ich kommen beide nicht aus Gastronomen-Familien und haben eben diesen Weg für uns gewählt. Unsere Kinder sollen ihren eigenen finden.
Und wenn Deine Tochter nun Köchin werden oder wie Du in den Restaurantservice gehen wollte, würdest Du ihr zu- oder abraten? Ganz ehrlich?
Warum sollte ich ihr abraten? Ich würde mir vor allem wünschen, dass es mehr Frauen, gerade auch in der Profiküche gäbe, denn wir brauchen starke Frauen. Viele (männliche) Köche, die ich kenne, sind nicht gerade kommunikationsstark. Da sind Frauen viel besser. Ein paar kommunikationsstarke Frauen wären hier also richtig wichtig.
Natürlich ist der Job auch körperlich anstrengend. Aber wenn man das kann und die Liebe zum Beruf fühlt, dann kann er auch wahnsinnig erfüllend sein. Und er bietet eine tolle Vielseitigkeit. Viele Junge Leute aus der Gastronomie arbeiten ja auch ein paar Jahre in ganz unterschiedlichen Ländern. Da kannst genau das tun, was ich damals immer wollte: Viel vom Leben lernen!
Ich finde es nur manchmal ein wenig schade, wie schlecht die Branche geredet oder geschrieben wird. Denn sie gibt doch sehr viele Möglichkeiten – auch für Frauen.
Aber dieses schlechte Image liegt natürlich auch daran, dass in der Vergangenheit schon viele Fehler gemacht wurden, die Arbeitgeber ohne Maß gehandelt und die Leute einfach ausgenutzt haben. Da war zu wenig Schutz da, und die Leute haben zu wenig verdient. Das ist heute tatsächlich anders. Ich beschäftige beispielsweise eine Teilzeitkellnerin, die verdient hier so viel, wie sie in keinem anderen Teilzeitjob verdienen würde.
Wie sieht eigentlich Dein eigener Arbeitstag aus?
Wenn Du Arbeitstag sagst, meinst Du also hier im Lokal?
Sorry, stimmt, der Tag fängt mit Familie deutlich vor dem Arbeitstag an. Aber ja, wie sieht Dein beruflicher Alltag aus?
So gegen acht, halb neun bin ich hier, dann wird erst mal die Karte geschrieben. Dann gehe ich ins Büro; meistens kommt da schon die erste Herausforderung auf mich zu, zum Beispiel weil jemand krank ist und ich einspringen muss. Davon abgesehen werden Emails bearbeitet, Organisatorisches besprochen.
Dann kommt das Mittagsgeschäft, in dem ich oft im Service aushelfe. Ich bin hier bei uns eben die Feuerwehr. Nach dem Mittagsservice geht es noch mal ins Büro oder auch nach Hause zu den Kindern und abends bin ich entweder hier drin oder schon auch mal zu Hause.
Bei Dir klingt das sehr lässig, aber es sind ja nicht nur ein paar Mails, ein bisschen Organisatorisches – und Du hast vor allem auch viel mit Menschen zu tun – vom Mitarbeiter bis zum Gast.
Ja manchmal bin ich auch Psychologin (sie lacht), aber das gehört eben einfach dazu. Und vor zwei Jahren habe ich mir außerdem ein bisschen Hilfe geholt. Denn davor war ich auch für alle Events zuständig. Aber in so einem, doch nicht so kleinen Haus wie unserem muss immer einer den Überblick haben, einen kühlen Kopf bewahren. Und das geht nicht, wenn du immer im Tagesgeschäft steckst.
Und dann haben wir ja eben auch noch zwei Kinder, einen Hund und einen Haushalt.
Und dadurch, dass dein Mann „der Koch im Haus“ ist, mit den entsprechenden Arbeitszeiten, hat er tatsächlich nicht so viel Zeit, in diesem Bereich mitzuarbeiten.
Ja, das ist so. Das ist einfach so.
Die Gastronomie gilt ja als Männerdomäne und in einigen Bereichen stimmt das sicher heute noch. Hattest Du je das Gefühl, dass Du dich als Frau darin schwergetan hast?
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten: Natürlich ist es schon eher eine Männerdomäne, insbesondere in der Küche. Nun habe ich aber das Glück, dass mein Mann in der Küche den Löffel schwingt. Das heißt, ich werde sowieso ganz anders behandelt.
Sind Köche denn so schwierig – immerhin haben wir beide einen geheiratet?
Stimmt, aber sie sind natürlich auch alle ein bisschen Freaks, unsere Köche – was sie ja auch liebenswert macht (sie lächelt). Und sie sind auch ein Ameisenhaufen mit ausgeprägten Persönlichkeiten, den man unter Kontrolle bringen muss. Gerade das finde ich aber spannend und schön. Als Frau musst du da natürlich „deinen Mann“ stehen, Contra geben und dir eine gewisse Elefantenhaut zulegen. Das ist nichts für Weicheier – aber man hat auch großen Spaß. Ich muss allerdings sowieso gestehen, ich sehe den Unterschied Frau – Mann gar nicht so.
Wie meinst Du das?
Ich habe eine starke Mutter, bei der es diesen Unterschied nicht gab, und genau so hat sie mich auch erzogen: „Das was DU fühlst und DU denkst, ist richtig Du bist gut so wie du bist, und brauchst keinen Mann um dich zu leiten. Geh deinen Weg und lass dich von niemandem unterkriegen.“ Das hat mir meine Mutter mitgegeben und eine große Portion Liebe dazu!
Was für eine großartige Grundlage – vielleicht hast Du auch daher heute so eine gelassene Ausstrahlung.
Und was für eine schöne Bestärkung, die man doch eigentlich jeder Frau mitgeben kann.