Lena Mielke serviert Eis

28 und kein bisschen feige

Utting am Ammersee, Als Lena Mielke kurz vor ihrem 28. Geburtstag zunächst den Kiosk und dann das Restaurant Lenas am See eröffnete, war die Skepsis in dem kleinen Ort am Ammersee im Süden Münchens groß. In den letzten 30 Jahren war das wunderschöne Haus der Familie am Seeufer, verpachtet und ein gut eingeführtes jugoslawisches Restaurant. Nichts besonders Schickes, aber vertraut. Schaut man sich so manches Gastronomieprojekt am benachbarten Starnberger See an, kann man sich ganz gut vorstellen, dass die Uttinger „Angst“ hatten, nun würde auch hier ein „Schicki-Micki-Laden“ entstehen.

Lenas am See„Ich nehm das Cevapcici!“

Ein Jahr später kommt zwar noch ab und zu ein Gast ins „Lenas am See“, sagt, ohne Blick auf die Speisekarte:  „Ich nehm’ das Cevapcici!“ und geht dann sogar manchmal wieder, wenn er hört, dass es das jetzt nicht mehr gibt. Doch die meisten bleiben und kommen wieder. Es läuft gut für das Restaurant von Lena Mielke. Happy-End also? „Happy“ – ja, und stolz auf das was sie bisher erreicht hat, „end“ – ganz sicher noch nicht und eigentlich muss man die Geschichte schon von Anfang an erzählen.

Echte Familiengeschichte

1950 eröffnete Lena Mielkes Urgroßeltern Georg und Else Steinlechner direkt neben dem Dampfersteg in Utting das Café am See, und in den 60er Jahren wurde die angrenzende Bootshalle zum Saal ausgebaut. Das Café am See wurde zur Institution. Lenas Großeltern Ludwig und Helga Schüßler geb. Steinlechner arbeiteten tatkräftig mit. Als Kind verbrachte Lena daher viel Zeit „bei der Oma am See“. Dass hier immer was los war, faszinierte das junge Mädchen schon damals und die Idee, das alles vielleicht einmal zu übernehmen, hatte sich festgesetzt.

Abkehr von der aktiven Gastronomie

Doch dann verpachteten die Großeltern den Betrieb in den 80er an die Familie Pavic, die ein gut besuchtes jugoslawisches Restaurant daraus machten. Die Großeltern blieben zwar im Haus am See wohnen, betrieben aber beruflich gemeinsam eine Unimog-Niederlassung.  Auch Lenas Eltern sind beide Rechtsanwälte. Tante und Onkel stiegen bei Unimog ein – Gastronomie war also nur noch als Verpächter des Objekts ein Familienthema.

Der Anfang einer Leidenschaft

Nur bei Lena hatte sich die Idee zumindest so festgesetzt, dass sie nach dem Abitur zunächst ein Praktikum im Sternerestaurant „Tristan“ auf Mallorca machte. Und dort schreckten sie weder 16 Stunden Tage noch die Tatsache, dass sie als Praktikantin viel Arbeit für wenig Lohn machen durfte, ab. „Ich fand es irgendwie cool und habe beschlossen, doch erstmal nicht zu studieren und stattdessen eine Ausbildung anzufangen“, erzählt sie. Um ein bisschen breiter als nur für den Bereich Restaurant aufgestellt zu sein, entschied sie sich für die Lehre zur Hotelfachfrau. Aber weil „dir ein Studium doch keiner mehr nehmen kann“ machte sie, im Anschluss noch den Bachelor an der renommierten Hotelfachschule in Den Haag.

Karriere in Berlin und Heimweh

Durch ein Pflichtpraktikum während des Studium kam sie dann insFünf-Sterne-Haus Ritz-Carlton, Berlin, blieb dort auch nach dem Studienabschluss und stieg bis zur Guest-Relations-Managerin auf. Eigentlich beste Voraussetzungen für eine steile Hotelkarriere. Wenn da nicht immer diese schreckliche Sehnsucht gewesen wäre „Ich hatte immer so wahnsinnig Heimweh. Ob in Holland oder in Berlin, es ging mir überall wirklich sehr gut. Aber ich wollte doch wieder an den See, dorthin wo man die Leute im Supermarkt kennt, sich grüßt. Berlin ist toll, aber außer den unmittelbaren Nachbarn (vielleicht) und den Arbeitskollegen lebt man anonym“, erklärt die junge Gastronomin.

Lenas am See UferDer schönste Arbeitsplatz der Welt

Und dann saß wie wiedermal daheim am See vor dem Restaurant und dachte: „Warum sollte ich das eigentlich nicht schaffen? Das hier ist der schönste Arbeitsplatz der Welt, warum mache ich es eigentlich nicht selbst?“ Man sieht noch heute das Leuchten in Lenas Augen, wenn sie von dieser „Eingebung“ erzählt.

Familienrat

Als Lena ihrer Familie von ihrem Wunsch erzählte, waren die Reaktionen gemischt. Sie wussten ja, was Gastronomie bedeutet: Viel Arbeit, nicht unbedingt viel Ertrag, Andererseits würde mit ihr wieder jemand aus der Familie den Familienbesitz übernehmen, das Juwel am See. Lena: „Das war irgendwie auch ein großes Geschenk für die ganze Familie. Und nachdem der Familienrat getagt hatte, war auch schnell klar, dass alle dabei helfen. Und so ist es bis heute: Meine Oma macht die Blumen, Mama und Papa stehen hinter der Bar, meine Tante hat die Bestuhlung gemacht, meine Cousins und Cousinen, wirklich jedes Familienmitglied ist irgendwie eingespannt.“

Der Pachtvertrag mit der Familie Piciv wurde im gegenseitigen Einverständnis gelöst – „Wir haben ein sehr gute Verhältnis und sie hatten es ja eigentlich schon in dem Moment erwartet, als sie wussten, dass ich in die Hotellerie-Gastronomie gehe“ erklärt Lena.

Pläne und Konzepte

Sie fing noch in Berlin an, Pläne zu zeichnen, Konzepte zu erstellen. „Ich habe überlegt, was sich in den Häusern, in denen ich gearbeitet habe, immer bewährt hat, habe tausend Millionen Fotos auf dem Handy gesammelt mit Dingen, die ich schön fand. Ich wollte schon etwas ganz Neues – auch wenn meine Großeltern da tatsächlich meine größte Kritiker waren. Es war ja 32 Jahre gut gelaufen, so wie es war und ich wollte eine 180-Grad-Drehung. Ich musste sie also erst ins Boot ziehen und überzeugen.  Dann haben wir uns irgendwann mit dem Architekten zusammengesetzt – und mit einem Statiker.“

Böse Überraschung

Und der eröffnete der Familie dann, dass der Umbau deutlich größer werden müsste, als geplant. Denn durch die vielen Hochwasser des Ammersees war das Wasser so in die Wände eingedrungen, dass die original Statikbalken völlig morsch geworden waren. Die Jung-Unternehmerin: „Er meinte sogar, es hätte auch sein können, dass demnächst mal alles zusammenbricht.“ Also mussten alle Balken frei gelegt werden und das bedeutete im Grunde: Alle Wände mussten weg, Eins kam zum anderen, das Ganze wurde im Grunde eine vollständige Kernsanierung und der Kredit bei der Bank musste nochmal ordentlich aufgestockt werden. Aber Lena Mielke ließ sich nicht beirren und beschloss. „Jetzt gibt es kein Zurück mehr!“

Stürmischer Neuanfang

Lena zog ins Haus am See über den Restaurant ein, indem auch ihre Großeltern eine Wohnung haben – „der schönste Platz zum Aufwachen“ und es begann eine Zeit harter Arbeit, über die Lena heute sagt: „Ich hab’ die Bauleitung selbst übernommen und musste den Spagat zwischen 15 bis 20 Gewerken hinbekommen und gleichzeitig eine Neueröffnung organisieren – etwas, das ich ja auch noch nie gemacht hatte – das war schon stressig. Ich habe in dieser Zeit viel gelernt und bin oft an meine Grenzen gekommen.“

Doch am 1. Juni 2017 konnte sie den Kiosk eröffnen (mit dem besonderen Angebot von 16 verschiedenen Eissorten nach original italienischem Rezept selbst hergestellt) und genau zwei Monate später das „Lenas am See“ – begleitet von einem Gewitter, das im ganzen Landkreis den Strom ausfallen ließ. Alles, was mit Elektronik zu tun hatte, funktionierte nicht mehr – dafür aber umso mehr die Gäste, die einfach von der Terrasse ins neue, modern-helle Restaurant kamen und bei Kerzenschein und Musik weiterfeierten.

Lenas am See Gericht 1„Ich will 100 Prozent hinter meinem Konzept stehen“

Das „Lenas am See“ ist nicht „anders als vorher“, es ist ein ganz neues Konzept. Optisch finden die Gäste ein modernes, aber überhaupt nicht kaltes Restaurant mit offenem Blick durch die bodentiefen Fenster auf den Strand und dann den Ammersee. Im Sommer ohnehin einer der schönsten Plätze der Region, fühle ich mich beim Gespräch mit Lena im Dezember 2018 fast ein bisschen wie an einem ganz kleinen bayerischen Meer. Die Speisekarte ist international, bayerisch akzentuiert, aber vor allem immer frisch, ganz nach dem Motto „Farm to table“. S

ie wechselt alle sechs Wochen, so wird es auch für Stammgäste nie langweilig. Die Chefin: „Ich will keine frittierten Sachen anbieten oder Convenience Produkte (Fertiggerichte Anm. d. Red). Ich möchte zu 100 Prozent dahinter stehen, welche Teller an meine Gäste gehen. Und auch wenn es eine komplette Konzeptänderung war, da muss man halt auch mal die E…. also den Mut haben, das durchzukämpfen.“ Der Mut hat sich bewährt. Der Betrieb ist sehr gut angelaufen, selbst jetzt im Winter sind die Abende gut ausgebucht.

Lenas am See BurgerIm Team und mit dem besten Küchenchef der Welt

Über 20 Mitarbeiter im Sommer und 13 im Winter – „im Grunde genommen sind wir ein kleines mittelständisches Unternehmen geworden“, lächelt die charmante Chefin. Und sie ist stolz darauf, dass auch die Gäste bemerken, was ihr selbst so wichtig ist: „Bei uns ist jeder Mitarbeiter authentisch, echt und jeder darf sich einbringen. Es ist nicht nur Chefkochsache, die Karte zu entwickeln. Jeder kann seine Ideen einbringen, so hat auch jeder seine Signatur hier und wir haben einen tollen Zusammenhalt, in dem jeder glücklich ist – hoffe ich zumindest. Und genau das bekommen wir auch oft als Feedback von unseren Gästen.“

Und dann hatte sie natürlich auch „wahnsinnig Glück mit meinem Küchenchef Lukas Vavrecka. Wir haben uns nie gesucht sondern einfach gefunden und waren von Anfang an die Zugpferde hier – gemeinsam.“ Ich wundere mich genau so lange über diese sehr emotionale Beschreibung, bis ich Lena frage, was ihr Partner denn zu ihre mEngagement und den sicher langen Arbeitszeiten sagt. Die Antwort: „Er ist der Küchenchef!“  Na dann!

Lenas am See innenDas volle Programm

„Wir hatten hier schon fast alles. Hochzeiten, Geburtstage, Weihnachtsfeiern“ erzählt, die Chefin, die übriges natürlich immer und überall selbst mitanpackt. Die Silvestergala 2018/19 war schon lange im Voraus ausgebucht und der eigene Weinevent im Herbst stieß auf sehr positives Echo der Gäste. Woran’s liegt? Daran, dass Lena Mielke mit großer Professionalität, ebenso großem Engagement und einem sicheren Gespür dafür, welches Konzept hier an diesem „schönsten Platz der Welt“ noch gefehlt hatte, an ihr Herzensprojekt gegangen ist.

Wenn sie heute sagt „Ich habe noch viele Ideen im Kopf“, dann glaubt man ihr das sofort und kann davon ausgehen: sie werden gut durchdacht sein, die ganze Familie steht dahinter und es wird funktionieren.

Viel Glück wünschen wir!

Und hier zu den ersten Eindrücken 

Bildnachweise: Titelbild – Stephanie Bräuer, alle anderen: Cordula Bloeme