Als ich Julia Mauracher endlich persönlich kennen lerne (zuvor waren nur Online-Meetings und Telefonate möglich, es ist August 2020) sagt sie gleich: Ich rede viell“. Wie wunderbar – ich auch. Aber dass man manchmal noch nicht mal reden muss, zeigt der Fragebogen, den Julia als Mitglied der Culinary Ladies ausgefüllt hat. Sie hat gleich alle Fragen beantwortet – obwohl es auch nur acht bis zehn hätten sein müssen 🙂 Hier also Ihre Geschichte – wie man von der Schauspielerei zur Tortenkunst kommt und der Vorsatz „Mutiger werden“ ein Leben verändern kann. Das alles garniert mit Julias Werken, die ohnehin für sich sprechen 🙂
Du bist Meisterkonditorin. Was macht Dich besonders?
Ich bin als Quereinsteigerin über viele Umwege zu meinem Traumberuf gekommen und eben diese Umwege prägen meine Arbeit sehr. Ich bin eine sehr verwurzelte und mit der Heimat verbundene Person, was man in meinen (hauptsächlich österreichischen) Rezepten schmecken kann.
Mein Interesse an anderen (Ess)kulturen, Reisen und Kunst inspiriert meinen Dekorations-Stil, den ich mit Absicht gerne sehr unklassisch und modern halte. An erster Stelle steht für mich aber immer der Geschmack – und somit auch meine Produkte. Ich setzte auf hochwertige, faire und regionale Produkte, kenne meine Lieferanten gerne persönlich und achte in meiner Backstube auf Nachhaltigkeit.
Erzähle uns kurz Deine Geschichte …
Seit ich denken kann, wollte ich Schauspielerin werden. Mit 23 Jahren ging ich von der Schauspielschule ab und startete meine Karriere in Österreich und Deutschland. Leider wurde mir schnell klar, dass die Kunst alleine mich nicht glücklich macht. Ich wollte irgendwas mit meinen Händen machen.
Auf Reisen nach Amerika, Kanada, Irland und England wurde ich dann vom damaligen Hobbybackwahn erfasst und startete meinen eigenen Backblog namens „Julia Bakes“. Schnell wurde aus dem Hobby ein echter Berufswunsch. Der Mut zum Wechsel fehlte mir damals aber noch, weshalb ich erstmal in der Gastronomie, im Vertrieb und Accounting „zwischenlandete“.
Den Mut zur Traumerfüllung fandest Du aber erst durch einen wahren Alptraum …
Durch einen schweren Fahrradunfall im Dezember 2016 wurde ich sehr jung mit der Endlichkeit des Lebens konfrontiert und fand im Zuge dessen endlich den Mut, meinen Traum nicht länger aufzuschieben. Also startete ich 2017 meine berufsbegleitende Ausbildung zur Konditorin in Österreich und absolvierte dort 2020 meine Meisterprüfung.
Heute habe ich einen Beruf, der Kunst und Handwerk verbindet und mich wirklich sehr erfüllt.
Wie geht‘s Dir gerade (Herbst 2020)?
Ein Unternehmen zu gründen ist nie einfach. Momentan kämpfe ich ein wenig mit den vielen Stolpersteinen, die mir dabei in den Weg gelegt werden. Aber zum Glück sind es nur Steine, keine Felsen. Mit ein wenig Schwung kann ich drüberhüpfen 😉 Die neu gewonnene Freiheit geht auch einher mit viel Organisation, daran muss ich mich erst gewöhnen. Früher wurde vieles fremdbestimmt, jetzt liegt alles bei mir.
Wie beschreiben dich deine Freunde?
Als humorvolle, willensstarke Frau mit Empathie, die manchmal ein bisschen verrückt und stur sein kann.
Hast Du Vorbilder, wenn ja welche?
Das wechselt immer wieder. Einen starken Einfluss auf meinen Berufswunsch und die Gründung hatten zwei Konditorinnen aus Graz (die Mehlspeisenfräulein).
In meiner Jugend war Jamie Oliver ein großes Vorbild, heute ist es unter anderem auch die Betreiberin der Violet Bakery in London, Claire Ptak. Beide gehen wahnsinnig toll mit Lebensmitteln um und demonstrieren für mich die totale Hingabe zum Beruf.
Was macht Dir am meisten Spaß an deinem Beruf was am wenigstens und warum?
Am liebsten backe ich Torten. Der Prozess vom Eier aufschlagen bis zum letzten Dekorations-Handgriff wirkt auf mich fast schon wie eine Mediation. Es fasziniert mich einfach immer wieder, wie man aus ein paar Zutaten ein Stück essbare Kunst zaubern kann. Der Moment, wenn man eine strahlend weiß eingestrichene Torte vor sich hat, zum Pinsel (oder der Palette) greift und dann wie eine Künstlerin auf eine Leinwand malen darf, ist einfach unbeschreiblich.
Am wenigsten Freude habe ich mit „Fizzelarbeit“, also zum Beispiel Marzipan-Figuren modellieren. Viele Konditorinnen lieben genau das, aber ich bin lieber etwas „wüst“ und „künstlerisch“ unterwegs, Präzision mag ich nicht so gerne.
Wenn Du Leuten eine Gebrauchsanweisung zu Dir geben müsstest, wir wie würde Die lauten?
Man kommt gut mit mir aus, wenn man mir gegenüber ehrlich und authentisch ist. Das bedeutet zwar auch, dass es zu Konflikten kommen kann, aber damit habe ich keine Probleme.
Ich brauche mehrmals am Tag was zu Essen, wenn mein Blutzucker sinkt, werde ich unberechenbar….also sollte man vielleicht immer ein Stück Traubenzucker dabei haben 😊
Humor ist mir auch ganz wichtig, ich lache gerne und viel.
Für Ungerechtigkeit oder Rassismus habe ich null Toleranz. Ich setzte mich schon seit meiner Kindheit immer sehr lautstark für alles möglich ein, auch für meine eigene Auffassung von Zusammenleben, Toleranz und Umgang mit der Umwelt und sämtlichen Lebewesen.
Wenn ich mal einen Standpunkt gefunden habe, verteidige ich ihn mit Leib und Seele, das kann schnell ausarten.
Was ist Mut für Dich?
Mutig zu sein bedeutet für mich, die Verantwortung für mein Leben zu übernehmen. Ich selbst entscheide (mit der Hilfe meines Bauchgefühls), wo die Reise hingehen soll. Dafür benötigt man auf jeden Fall eine Portion Mut, aber die findet man schnell, wenn man lernt, sich selbst und den eigenen Entscheidungen zu vertrauen.
Warst Du selbst immer mutig?
Nein – ganz und gar nicht! Ich hatte sehr lange Schwierigkeiten, mich selbst zu lieben und mich als Entscheidungstrefferin anzuerkennen. Das hat mir ein paar schwierige und unglückliche Jugendjahre gebracht.
Zum Jahreswechsel 2013/2014 habe ich mir „Mutiger sein“ als einzigen Jahresvorsatz genommen. Es wurde das beste Jahr meines Lebens. Seitdem nehme ich mir das immer als Vorsatz. Manchmal stehe ich vor schwierigen Entscheidungen und treffe sie dann basierend auf diesem Vorsatz. Ich kann mich nicht erinnern, dass eine dieser Entscheidungen jemals falsch gewesen wäre, sie führen in der Regel eher immer zu wunderbaren Dingen.
Hast Du je das Gefühl gehabt, es als Frau schwerer zu haben?
Meine Erfahrungen in der Schauspielbranche waren etwas bitter. Oft hatte ich dort das Gefühl, dass es nur ums Aussehen und um die Kontakte ging, nicht aber um die Hingabe oder das Können.
Als Frau nimmt man das dann vielleicht noch schwerer auf, weil wir auch von den Medien (welch Ironie!) auf ein gewisses Aussehen „gedrillt“ werden.
In der Ausbildung zur Konditorin habe ich dann zum ersten Mal Sexismus erfahren. Die Branche war überfüllt mit Männern, die teilweise nichts Besseres zu tun hatten, als einen rein weiblichen Kurs mit üblen Sprüchen zu bombardieren. Im ersten Moment hat mich das sprachlos gemacht, dann jedoch wurde mir klar, dass ich deren Einstellung nicht ändern kann. Ich kann ihnen nur das Gegenteil beweisen und meinen Weg gehen.
Dass man als Frau selbstständig im Handwerk sein kann UND über Familienplanung nachdenkt, schien für viele einfach nicht miteinander vereinbar zu sein.
Was müsste sich für Frauen ändern – oder müssen sich Frauen ändern / oder beides?
Ich finde, es müsste per Gesetz geregelt sein, dass Männer und Frauen dieselbe Entlohnung bekommen. Das würde einige Debatten beenden, auch zur Wertigkeit der jeweiligen Geschlechter.
Wir Frauen sollten vermehrt darauf achten, dass Netzwerken immer mehr bringt als Konkurrieren.
Hast Du Kinder? Wenn ja, wir läuft die familiäre Arbeitsteilung?
Noch nicht. Aber ich habe mir schon immer eine eigene kleine Familie gewünscht. Momentan habe ich zwei Katzen – mal sehen, ob sich die Familie noch vergrößert!
Was ist für Dich Erfolg?
Ich würde mich selbst als erfolgreich bezeichnen, wenn ich die Balance zwischen Leben und Arbeiten gefunden habe, die Arbeit mich mehr bereichert als fordert und ich finanziell abgesichert bin.
Was waren/sind die wichtigsten Zutaten zu Deinem Erfolg?
Eigene Entscheidungen treffen und eigene Regeln aufstellen. Nicht zu sehr darauf achten, was andere machen. Immer mit dem Herzen (und dem damit verbundenen Bauchgefühl) entscheiden. Mutig sein, nicht aufgeben, sich helfen lassen und Vertrauen haben.
Bist Du schon mal so richtig gescheitert – und wenn ja, wie ging es weiter?
Meine erste Meisterprüfung 2019 habe ich nicht bestanden. Das war ein furchtbar herber Schlag. Im ersten Moment habe ich die Schuld bei anderen gesucht, aber das hat mich nicht weitergebracht.
Ich habe daraufhin meine Festanstellung gekündigt und mich ein Jahr lang intensiv auf die nächste Prüfung vorbereitet. Damit habe ich meine Werte neu geordnet und Prioritäten neu gesetzt. Die zweite Runde habe ich dann mit Bravour „gemeistert“ 😊 Für mich war dieses Scheitern sehr wichtig, da es mir nochmal sehr intensiv gezeigt hat, wie sehr ich diesen Beruf ausüben möchte und dass ich noch viel mutiger sein muss, als ich es damals war.
Was würdest Du Dir heute selbst raten, wenn Du als Dein jüngeres Selbst vor Dir stehen würdest?
Ich würde mir selbst raten, mit dem Vergleichen aufzuhören und mir jeden Tag zu sagen, dass ich wunderschön und vor allem „gut genug“ bin. Dass ich die Stärke in mir habe, immer wieder aufzustehen und mich darauf verlassen kann.
Was war Dein größter Fehler?
Keine Ahnung 😊 ich glaube, es gab keine Fehler, nur Learnings!
Was war Dein größter Triumph?
Die ersten Schritte nach meinem Unfall und die bestandene Meisterprüfung.
Was waren bisher deine wichtigsten Learnings (bis zu drei)?
- Die Verbindung zum Bauchgefühl ist unfassbar wichtig und muss gepflegt werden.
- Das Leben gibt dir, was du gerade brauchst, nicht was du willst.
- Das Leben ist kein Höhenflug, die Abstürze gehören mit dazu. Wichtig ist, mit ihnen umzugehen und sie ins Leben zu integrieren.
Über was kannst Du so richtig lachen (gerne Beispiel)?
Sparwitze. Was ist klein, braun und sitzt hinter Gittern? Eine Knastanie! 😊
Was macht Dich richtig wütend ?
Handlungen, die Menschen ausführen, weil sie sich nicht richtig informiert oder gebildet haben (obwohl sie gekonnt hätten) und die dann zu fürchterlichen Dingen führen.
Möchtest Du etwa erzählen, dass Dir besonders wichtig ist?
Ich denke, ich habe alles sagen können, was mir wichtig war 😊
Für das was Julia macht, sprechen Bilder am besten und die gibt es nicht nur hier sondern auch auf Ihrer Website. Wer eine ihrer Kreationen bestellen möchte, einfach Mail schreiben.
Und wer sich jetzt fragt, warum Ihre Firma Anton & Ella heißt. Das waren ihre Urgroßeltern, deren Stadtgarten in Hall in Tirol sie schon als Kind inspiriert hat.