Vollweib ist ein Kompliment
Ich habe Alexandra über Instagram kennen gelernt. Sie hat einen Post von mir kommentiert, ich mir ihr Profil angeschaut und sie gefragt, ob sie bei den Culinary Ladies gerne dabei wäre. Fünf Minuten später kam der Rückruf und ich hatte eine Frau am Telefon, die einfach nur übersprudelt. So lief dann auch unser face-to-face Gespräch ein paar Tage später. Eine 31 jährige attraktive Blondine (die sich absolut nicht diskriminiert fühlt, wenn ich (also eine Frau) sie „Vollweib“ nennt, erzählt mir ihre Küchengeschichte:von kleinen Privatcaterings und fahrenden Würstchenbuden bis zur Mitgesellschafterin des Restaurants im neuen Münchner Hotel Jams, das gerade erst eröffnet hat. Mit dem in Heidelberg geborenen du in Dessau aufgewachsenen Temperamentsbündel spreche ich über ungewöhnliche Berufswege, Führungsqualitäten und Slowfood. Dieses Interview ist der Versuch all diese Themen unter einen Hut zu bringen.
Alexandra, eigentlich hast du dich ja erstmal in ganz anderen Bereichen versucht, als Assistentin in der Dermatologie eines Krankenhauses, dann mit einer Kosmetikausbildung in der Privatschule für Dermatologie und Kosmetik in Mannheim, danach kurz sogar selbstständig mit eigenem Kosmetikstudio – was hat dich denn in die Küche getrieben?
Irgendwie hatte ich gespürt, dass beides nicht so das Richtige für mich war. Also bin ich erstmal zu meinen Eltern zurück gegangen und habe dort im Cateringunternehmen meiner Schwester und ihres Verlobten mitgeholfen. Die Küche hat‘s mir dabei besonders angetan . einfach, weil dort zwar ein eher rauher Ton geherrscht hat, aber immer mit dem Schelm im Nacken. Und das Kochen hat auch Spaß gemacht.
Offensichtlich, denn du hast dich ja gleich mit einem eigenen kleinen Catering-Unternehmen selbstständig gemacht. Hat deine Schwester das nicht als Konkurrenz empfunden?
Nein. Ich habe ja die Aufträge übernommen, die ihr zu klein waren. Mal ein paar Canapés und Fingerfood oder Salate für den Kindergarten. Allerdings hat sich das ziemlich schnell weiter entwickelt und zwei Jahre später habe ich selbst eine Produktionsküche angemietet und so viele Aufträge, dass ich 17 freie Köche beschäftig habe.
Noch mal ein Schritt zurück. Zunächst mal hast du ja mit einer Art Food-Truck angefangen?
(sie lacht) Ja, nur dass die damals noch nicht „Foodtrucks“ sondern „Würstchenbuden“ hießen. Ich habe mir so einen alten Bus gekauft, umlackiert und mein Logo drauf gemalt. Den habe ich dann für den einen Abend als Cocktailbar, den anderen als Flammkuchenstand und den nächsten eben als Würstlbude angeboten. Dafür hatte ich ein Modulsystem entwickelt mit Rollcases.
Küche aus dem Rollcase?
Ja, ich hab‘ damals auch als Hobby viel mit einer Band gesungen und für diese Events hatten wir so Rollcases (z.B. für die Instrumente), die man einfach aufklappen kann. Und diese Rollcases kann man sich individuell anfertigen lassen. Ich habe sie also so umbauen lassen, dass in einen ein Grill, in einen anderen ein Convectomat passte. So konnte ich sie zu- und aufklappen und über eine Rampe prima in den Wagen transportieren. Dann gab‘s noch eine Produktionsküche, die ich zwei Mal pro Woche anmieten konnte. So bin ich mit meinem Bus durch die Stadt gefahren und habe meine Caterings ausgeliefert.
Wie hast du das Ganze denn finanziert?
Naja, ich habe ja schon verdient, natürlich auch einen kleinen Kredit aufgenommen und wurde insofern von zu Hause unterstützt, als dass ich freie Kost und Logis hatte. So konnte ich mit vollem Risiko in die Selbstständigkeit gehen. Und um regelmäßig Geld zu verdienen habe ich auch noch ganz lange in Landestheater in der Spülküche gearbeitet. Das gab am Abend 30 Euro und irgendwann wurde ich sogar befördert und durfte im Bankettbereich Prosecco ausschenken. Aber was ich in all der Zeit am meisten gelernt habe: Bescheiden zu bleiben. Und ich kann einen Spülmaschine reparieren!
Aber irgendwann bist Du ja auch gewachsen mit deinem Unternehmen.
Es kam einfach der Punkt, an dem mir klar wurde: Ich könnte mehr Geld verdienen, dafür müsste ich aber aufstocken, sowohl Material als auch Personal betreffend, denn ich konnte ja nicht an mehreren Stellen gleichzeitig sein. Aber da die Nachfrage recht groß war, bin ich das Risiko eingegangen und hatte dann wirklich auch relativ schnelle einen guten Kundenkreis.
Was hast du alles angeboten?
Ich hab‘ mich auf Privatcaterings spezialisiert bzw. Privatköchin. Besonders gerne hab‘ ich dabei gerillt, das ist heute noch mein Steckenpferd: Also einfach einen Live-Cooking-Grill aufgebaut und verschieden selbstgemachte Tapas und Salate dazu (die konnte ich ja gut vorbereiten). Und dann hab‘ ich im Garten schöne Pagoden aufgebaut und gekocht und gegrillt. Außerdem habe ich auch noch für verschiedene Kantinen einen Mittagstisch angeboten.
Aber du hattest keine Kochausbildung?
Nein. Später habe ich schon manchmal gedacht „Hättest Du mal eine normale Kochausbildung gemacht!“, aber in dem Alter damals, ich war Anfang 20, dachte ich: Eine Ausbildung hab‘ ich ja schon (auch wenn sie nichts mit der Küche zu tun hatte), jetzt muss ich dann mal Geld verdienen. Und ich hatte das Glück, immer wieder Köche als Mentoren an meiner Seite zu haben, die an mich geglaubt haben. Während ich die Cateringfirma geführt habe, war mein Lebensgefährte auch selbst Koch in der Sternegastronomie und ich konnte von ihm sehr viel lernen. Und ich habe immer wieder in anderen Küchen mitgearbeitet, umsonst, einfach um zu sehen, welche Techniken der jeweilige Koch anwendet oder auch nur, wie man einen Fisch richtig auseinandernimmt. Damals gab es ja noch nicht Chefkoch.de oder jede Menge Rezepte und Anleitungen auf youtube.
Offensichtlich hat es deinen Kunden ja geschmeckt. Wie bist du an die gekommen?
Angefangen hat das natürlich erst mal im Freundeskreis und dann kamen immer mehr Mund-zu-Mund-Empfehlungen. Mit Flyern und Visitenkarten bin ich dan auch nach Leipzig und Berlin in Hochzeitsgeschäfte gefahren und hab‘ dort vorgeschlagen: „Wenn Sie ein Kleid verkaufen, dann brauchen die Kunden doch auch Catering. Hier haben Sie meine Karten und Flyer.“ Ich bin also überall selbst hin und habe mich persönlich vorgestellt.
Klingt so, als ob es damals richtig gut lief für dich?
Ich habe Fehler gemacht, wie jeder andere auch und mich zu Beispiel verkalkuliert. Eine Veranstaltung hätte mich beinahe ruiniert und zwar genau zu einem Zeitpunkt, an dem ich gedacht hatte, ich hätte es finanziell endlich geschafft. Es war ein Auftrag, den ich unbedingt hatte haben wollen: Das Bauhaus Festival. Was ich allerdings übersehen hatte: dass am selben Tag Einschulung war und schon von daher sehr viele Leute weggeblieben sind. Und dann zog auch noch ein Sturm auf. Damit war das ganze Plus, das ich im Sommer zuvor erwirtschaftet hatte, an einem Tag weg.
Hat dich das nicht total frustriert?
Doch. Es war auch einer der Gründe, warum ich letztendlich nach München gekommen bin. Ich war damals so müde von diesem permanenten Hin und Her als Veranstalter. Und dann dieser finanzielle Einschnitt. Da habe ich meinen guten Freund Martin Baudrexel (ein bekannter Koch Anm. d. Red) angerufen und ihn gefragt, ob er nicht von einem Job wüsste. Ich wollte kein Catering mehr, sondern ein ganz normales Angestelltenverhältnis.
Und er hat dir tatsächlich einen Job in der Küche des „HeimWerk“ vermittelt, wo du ziemlich schnell Küchenchefin geworden bist.
Ja, ich dachte auch erst: Oh mein Gott, das nimmt dir doch keiner ab. Jetzt sollst du hier 17 Männer auf Spur bringen! Aber es hat ja doch gut funktioniert, auch mit dem zweiten Lokal, das wir dann noch aufgemacht haben. Und meine harte Schule der Selbstständigkeit hat sich bezahlt gemacht. Ich hatte für den Einkauf alle Preise im Kopf und kam so mit Händlern und Großlieferanten ganz anders ins Gespräch. Und als die Lüftung ganz am Anfang nicht ging, wusste ich was zu machen war – weil meine Eltern eine Firma für Lüftungstechnik haben.
Wenn man dich so sieht, vermutet man nicht zuallererst, dass du dich mit Spülmaschinen und Lüftung auskennst und richtig hart schuften kannst.
(sie lacht) Da siehst du mal, was man so für Vorurteile hat. Nur weil ich eine Frau bin, die sich gerne hübsch macht und auch die Fingernägel lackiert, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht zupacken kann, das haben meine Mitarbeiter auch immer schnell verstanden.
Haben Dich also auch mal Mitarbeiter nicht akzeptiert ?
Weißt du, außerhalb der Sterngastronomie hat man es ja mit sehr unterschiedlichen Menschen zu tun. Es gab auch mal einen Mitarbeiter aus Indonesien. Der hat den Fisch mit Absicht so in die Fritteuse geschmissen, dass es eine Stichflamme gab, nur weil er eine Frau nicht als Chef akzeptieren wollte. Aber viele, gerade ältere Männer, haben mich auch als Mama gesehen, und was die Mama sagt, das macht man. Und einmal kam eine ältere Frau zu mir, die gar keine Erfahrung in der Küche hatte, aber dringend einen Job gesucht hat. Heute schmeißt sie im zweite Lokal im Glockenbachviertel die Frühstückschicht alleine. Aber bei solchen Gesprächen merkt man erst mal was man für eine Verantwortung für Menschen hat.
Du hast mir im Vorgespräch am Telefon zu diesem Thema schon gesagt: Manchmal is es der zweite Blick, den man auf Menschen werfen muss.
Genau – und dann sind diese Menschen dankbar für die Chance, die man ihnen gegeben hat. Wir hatten im Team Männer aus Syrien, die waren von oben bis unten von Narben übersät oder andere, die nicht lesen und schreiben konnten. Denen habe ich dann immer mit einem Augenzwinkern die Einkaufsliste überreicht und jeden Posten darauf nochmal laut vorgelesen, damit die anderen es nicht merken. Dafür habe ich wirklich viel zurückbekommen. Und hatte mit zwei Lokalen nur neun Krankheitstage im gesamten Team im Jahr!.
Muss man sich den als Frau auch professionell mehr beweisen?
Sehe ich nicht so. Man muss nur ehrlich sein. Gerade das fällt Frauen aber oft schwer. Man denkt, man müsse alles selber machen. Ich bin zum Beispiel wirklich schlecht in der Patisserie, aber dafür habe ich andere Stärken, insbesondere in der Organisation. Und man muss den Mitarbeitern vermitteln, dass man am besten im Team ist. Es nützt auch nichts, von jedem zu verlangen, dass er arbeitet bis zum Umfallen. Ich hatte und habe kein Problem mit 15 Stunden-Tagen – für mich. Aber, mal abgesehen von gesetzlichen Vorschriften, kann ich das nicht von jedem verlangen. Meine Mitarbeiter im „Handwerk“ haben acht Stunden gearbeitet, hatten 2 Tage in der Woche frei, einmal im Monat auch an einem Wochenende. So baut man auch Vertrauen auf und die Mitarbeiter bringen Leistung und sind nicht krank. Das ist zumindest meine Erfahrungen.
Aber einen gewissen Zug braucht es doch, oder?
Natürlich muss ich auch bestimmt sein und auf das berühmte „Ja, Chef“ nach Anweisungen von mir bestehe ich auch. Aber das heißt nicht, dass man cholerisch werden muss. Ich glaube, wenn du den Spagat zwischen Strenge und Verständnis schaffst und den Mitarbeitern klar machst, dass jedes Team einen Häuptling braucht – der jetzt eben du bist – dann läuft es auch.
Du hast das HeimWerk in beiden Standorten zwei Jahre lang gemacht, doch jetzt hat eine neue Ära angefangen.
Ja, ich wurde für das Restaurant des neue Kaufmann/Käfer Hotel Jams (ehemals Hotel Preysing) angesprochen. Vier Gesellschafter, von denen ich jetzt einer bin, sind Pächter des Restaurants. Natürlich wird da, gerade am Anfang, mein Schwerpunkt aktiv in der Küche sein.
Mit welchen gastronomischen Konzept geht ihr an den Start?
Unter dem Motto „Lieblingsgerichte“ werde ich die Küche mit einfachen aber qualitativ besten Gerichten aufbauen, die jeder von zu Hause kennt. Ich bin selbst Mitglied bei Slowfood und die beiden HeimWerk-Restaurants waren ja auch nach den Slowfood-Prinzipien ausgerichtet. So ähnlich wird das auch im Jams sein. Es gibt keine ausländischen Früchte. Ich verwerte Tiere ganz. Dann kaufen wir zum Beispiel ein ganzes Rind bei Lucki Maurer und es gibt Gerichte mit allen Teilen davon. Das ist ehrlich und bodenständig und genauso möchte ich arbeiten.
Kannst du diese Prinzipien an Beispielen erklären?
Ich will keine Avocados auf meinen Tellern sehen und mein Tartar ist ein Saiblingstartar mit Pumpernickel und gegrillter Birne. Auch ein Cesars Salad schmeckt mit Bergkäse. Und es gibt kein Burrata sondern einen Kuhmilchkäse, den wir selber ziehen. Der wird dann am Tisch gestochen, damit das Feeling auch rüberkommt. Manchmal muss man da die richtige Geschichte dazu erzählen, aber wenn der Grundgedanke verstanden ist, funktioniert das wunderbar.
Und das betrifft übrigens auch teilweise die Ausstattung: Ich werde auch das alte Porzellan und das Silberbesteck aus dem Hotel Preysing nutzen und zum Beispiel die Suppen mit alten Kaffeekännchen angießen oder die Brühe für den Tafelspitz aus den Milchkännchen.
Zwischen dem Ende im HeimWerk und der Eröffnung des 33rpm im Februar hattest Du ja aufgrund der (wie immer bei solchen Projekten) etwas verzögerten Umbauarbeiten ein wenig Luft. Was hast du in dieser Zeit gemacht?
Im Nachhinein war diese Zeit total wichtig für mich. Einmal habe ich von meiner Agentur gelernt, aus mir eine Marke – gerade für den Socialmediabereich zu machen. Das klingt total abgehoben, aber heute muss man da eben auch aktiv unterwegs sein – und wiedererkennbar. Außerdem bin ich jetzt Markenbotschafterin für Vegata. Das ist eine Gewürzmischung aus Kroatien, die früher voller Glutamat und dementsprechend verschrien war, und die jetzt einen ganz neuen Weg einschlägt, den ich absolut unterstützen kann. Und dann mache ich You-Tube-Kochkurse für MiClassa den You-Tube–iKanal der Bosch-Siemens-Hausgeräte- Gruppe. Die App dazu hat übrigens auch eine Frau entwickelt.