Wie so einige erfolgreiche Menschen in der Gastronomie ist Bettina von Massenbach erst auf Umwegen in diese Branche gekommen – und wie bei vielen war es die Liebe, die sie dahin gebracht hat. Nein, in ihrem Fall nicht die Liebe zu einem Partner, sondern wirklich die Liebe zu diesem Metier, die sie wie ein Blitz getroffen hat, als sie das erste Mal beruflich mit einem Restaurant zu tun hatte.
Ich spreche mit ihr darüber, wieso der 11. September 2001 eine Weichenstellung für sie bedeutete, darüber, warum Gäste mit ihrer Stimmung zum Unternehmenserfolg beitragen, warum Führungskräfte gut zu sich selbst sein müssen, um ihre Mitarbeiter zu motivieren und was sie tut, wenn sie für die DEHOGA als Blitzlichtberaterin unterwegs ist.
Du sagst, es war ein Zufall, der dich in die Gastronomie gebracht hat?
Ja, ich war 2001 in einer IT-Firma in London für Marketing, Business Development und Standort Aufbau zuständig. Unser Hauptkunde war eine Investmentbank. Dann kam der 11. September, wir haben von beiden Seiten etwas abbekommen und waren am 12. September pleite. Aber wenn man an Schicksal glaubt, hatte ich doch Glück, denn eigentlich wollte ich ja nach New York, hatte mir im World Trade Center schon ein Büro angeschaut, und war von der Firma nur in London zwischen-„geparkt“ worden.
Und jetzt wolltest du dein Leben ändern?
Nein, gar nicht so drastisch. Aber ich hatte natürlich nur noch die Firma abzuwickeln und wäre dann ohne Job gewesen. Was mir aber wirklich wichtig war: ich wollte raus aus der City von London. Damals hat man hier in Deutschland gar nicht so mitbekommen, wie die Stimmung in London war – das war fast wie im Krieg. Wir wurden dreimal am Tag evakuiert, die Leute waren allen schweißgebadet, wenn sie endlich sicher aus der U-Bahn gestiegen sind und bei jedem Flugzeug, das ein bisschen niedriger flog, lagen alle auf der Straße.
Kein Wunder, dass du da raus wolltest!
Unbedingt, aber in London wollte ich damals schon bleiben. Da kam es mir gerade recht, dass der Bekannte eines Freundes gerade das Restaurant Zuma eröffnete, mit deutschem Küchenchef, indischen Investoren und japanischem Konzept. Ich kam damals in das Restaurant und habe diese Arbeit vom ersten Tag an so geliebt, dass ich wusste: Nie wieder in meinem Leben mache ich etwas anderes!
Liebe auf den ersten Blick also?
Kann man so sagen. Ich habe mir ja auch oft überlegt, was eigentlich der Auslöser dafür war. Wahrscheinlich liegt es daran, dass mir schnell klar wurde, dass ich hier die Aufgabe habe, drei verschiedene Menschengruppen glücklich zu machen. Das sind einmal der Unternehmer, dann der Gast und natürlich die Mitarbeiter. Alle diese Gruppen und Individuen haben jeweils unterschiedliche Interessen, unterschiedliche Motivationen, sind aber alle auf derselben Spielwiese, eben dem Restaurant, unterwegs.
Und du musst es schaffen, sie alle unter einen Hut zu bringen?
Ich muss einen Schirm über sie spannen, unter dem sie alle ihre unterschiedlichen Ziele und Bedürfnisse erreichen können, um dann gemeinsam zum Erfolg zu kommen. Das ist eine super reizvolle Aufgabe.
Ich weiß, die Mitarbeiter sind dein Lieblingsthema, wir kommen gleich nochmal darauf zurück. Aber ich finde auch den Aspekt sehr interessant, dass die Gäste zum Unternehmenserfolg beitragen, weit darüber hinaus, dass sie natürlich die Kunden sind …
Ein schönes Beispiel: Ich war vor kurzem mit ein paar Freundinnen in einem Lokal, wir hatten einen tollen Abend, haben gelacht bis uns die Tränen runtergelaufen sind. Als wir zahlen wollten, hat uns der Besitzer noch eine Runde ausgegeben. Und auf die Frage, wie wir zu der Ehre kämen (so hoch war unsere Rechnung auch nicht) hat er gesagt: „Ihr habt mir heute hier die Stimmung gerettet. Bis ihr kamt, war die ganz seltsam, alle Männer waren aggressiv und haben nur rum gemeckert – und dann kamt ihr und es war fein“. Ich hab’ gelacht und gemeint: „Oh, Du kannst uns gerne engagieren!“ Aber im Ernst, da ist mir wieder mal aufgefallen, wie wichtig der Gast ist.
Das ist ja eigentlich dasselbe, wie auf einer Party
Stimmt. Natürlich kann man nun sagen, es ist ja die Aufgabe der Gastgeber (insbesondere im Restaurant) den Gast glücklich zu machen. Aber wenn der schon mit schlechter Stimmung kommt, dann kannst du einen Handstand machen und das ändert auch nichts.
Das heißt, in der Gastronomie, in diesem Fall also besonders im Service, musst du nicht nur servieren sondern auch noch Entertainer sein?
Ja, und verkaufen und beraten. Du hast so viele verschiedene Funktionen, ich möchte das gar nicht mehr missen. Aber es ist eben auch ein harter Job.
Und damit sind wir bei den Menschen, die in der Gastronomie arbeiten und die dir besonders am Herzen liegen
Nach London (ich habe dann auch noch das zweite Restaurant der Zuma-Betreiber eröffnet) bin ich zurück nach Deutschland nach München gekommen. Dort hatte mich Felix Eichbauer, der Sohn des Tantris-Gründers Fritz Eichbauer gebeten, den Generationenübergang in diesem legendären Restaurant zu begleiten.
Mit diesem Prestigeprojekt und einem wahnsinnig tollen Küchenchef Hans Haas hatte ich große Glück. Aber ich hatte mein Büro auch direkt hinter der Küche und habe so gesehen, was die Menschen, dort leisten. Das hat mich bis heute so tief beeindruckt, dass ich mir gesagt habe: Ich will etwas für diese Menschen tun. Ich will nicht nur in der Operative arbeiten, sondern versuchen Wege zu finden, für diese wahnsinnig leidenschaftlichen Menschen mehr Lebensqualität zu schaffen.
Das war deine Motivation zur Selbstständigkeit?
Ja, so bin ich nach fünf Jahren raus aus dem Tantris und habe mich selbstständig gemacht, habe auch noch das betriebliche Gesundheitsmanagement in mein Portfolio aufgenommen und mir vorgenommen, mich wirklich für die Menschen einzusetzen. Relativ schnell wurde mir klar, dass mein Zielpublikum dabei nicht nur Küchenchefs sondern die gesamte Branche der Hotellerie und Gastronomie ist.
Du machst heute also „Personalmarketing“. Was muss man denn darunter verstehen?
Zunächst mal hat es nichts mit dem zu tun, was man normalerweise unter Personalmanagement versteht. Das hat für mich auch etwas Statisches. Im Personalmarketing geht mir darum, den Menschen möglichst viel Gehör und Verständnis entgegen zu bringen. Herauszufinden was sie brauchen und wie ich sie dabei unterstützen kann.
Deine Kunden sind als Hotels und Restaurants, die wollen, dass du etwas für ihre Mitarbeiter tust?
Genau – und zwar in allen Ebenen. Das kann ein Führungskräfte Training sein oder Teamveranstaltungen, im Prinzip alles, bei dem es um Mitarbeiter geht und was nicht von der Personalabteilung gehandhabt wird. Es geht darum, den Wohlfühlfaktor für die Leute zu erhöhen – natürlich auch, damit sie sich im Unternehmen länger eben „wohl“ fühlen. Denn am Gehalt alleine liegt das nicht.
Nun sitzen wir für dieses Gespräch in einem Restaurant, an dessen Konzeption und Eröffnung du ganz direkt beteiligt warst.
Das Kansha ist eine Idee von Catharina Michalka. Sie hatte das Konzept in Warschau kennen gelernt und wollte es auf den Deutschen Markt bringen: Ein veganer Japaner. Da sie selbst aber keinerlei Ahnung von Gastronomie hatte und wir uns kannten, hat sie mich gebeten, sie zu unterstützen.
Über das Kansha berichte ich in einem anderen Beitrag (siehe Link unten), aber wenn du da alles umsetzt, was du anderen rätst, dann müssen sich die Mitarbeiter ja sehr wohl fühlen.
Genau genommen, kann man das nach so kurzer Zeit (drei Monate nach der Eröffnung) natürlich nicht sagen. Aber ich denke, ein Zeichen, dass es funktioniert, ist schon, dass sich bei uns alleine in dieser kurzen Zeit zwei Köche initiativ beworben haben – und das heute, wo jedes Restaurant Köche sucht. Die Branche ist klein und gut vernetzt, irgendetwas Positives muss sich da rumgesprochen haben (sie lächelt).
Man sagt ja immer Online-Interviews sollen nicht so lang sein, aber eines deiner Betätigungsfelder muss ich unbedingt noch ansprechen. Du bist für die DEHOGA (den Verband der deutschen Hotellerie und Gastronomie) in Auftrag des Bayerischen Wirtschaftsministeriums, Beraterin für eine Aktion, die quasi die RTL-Küchenprofis in professionell ist?
Nicht ganz – aber es geht schon in die Richtung. Es ist die Aktion „Blitzlichtberatung“ für bayerische Wirtshäuser. Ziel ist es, (unter anderem) damit dem Wirtshaussterben, insbesondere auf dem Land, entgegenzuwirken. Wirtshäuser können sich bewerben, dann komme ich, habe natürlich vorher schon ein bisschen recherchiert und informiere mich vor Ort bei den Wirtsleuten über ihre Problemstellung – auch mit Hilfe eines gut ausgearbeiteten Fragebogens.
Dann suchen wir im Gespräch erste Lösungsansätze. Das ist nicht reißerisch, soll ganz ohne erhobenen Zeigefinger stattfinden und die Leute motivieren. Ich finde, das ist eine großartige Initiative!
Aber kann man in zwei bis drei Stunden wirklich etwas erreichen?
Aber sicher! Natürlich müssen die Wirte die Umsetzung alleine angehen (es sei denn, sie wünschen eine weitere Betreuung). Aber auch in dieser Zeit gelingt es mir, mit dem professionellen Blick von außen immer, schon viele Themen anzusprechen.
Hast Du ein Beispiel?
Ich komme in ein Restaurant und nehme sofort einen ziemlich starken Geruch wahr. Es zeigt sich, dass die Lüftung schon relativ alt ist, die Wirte aber Pächter sind und die Lüftung ja Sache des Vermieters. Also mache ich ihnen erst mal klar, was passiert, wenn die alte Lüftung ganz ausfällt (dann müssen sie das Lokal nämlich vorübergehend schließen) und dass es zweitens auch Fördermittel für neue Lüftungen gibt.
Du klingst bei alldem sehr ruhig und klar – musstest du lernen, so auch aufzutreten?
Das lernt man sicher auch im Lauf der Jahre. Aber das ist auch ein Grund, warum ich die Ausbildung zur zertifizierten Führungskraft noch mitgemacht habe. Ich bin nämlich der Meinung, dass du nur dann in der Lage bist andere gut zu führen, wenn du in der Lage bist, dich selbst gut zu führen. Nur wenn du dich selbst wert schätzt, kannst du das auch auf die eigene Person übertragen. Und so bremst man sich selbst auch immer wieder – im positiven Sinn – weil man sich sagt: Sei fair zu Dir, pass selbst auf Dich auf!
DAS lernt man alles bei der zertifizierten Führungskraft?
(sie lacht) Nein, letzteres nicht. Aber das sind einfach Bausteine in meinem gesamten Wertebewusstsein.
Hmm, das mit dem Bremsen sehe ich bei Bettina von Massenbach noch nicht so – aber solange sie dabei so viel Spaß an dem ausstrahlt, was sie tut – scheint ihre Life-Balance absolut in Ordnung zu sein.
Mehr über Bettina von Massenbach
Ihr neuestes Projekt ist das Sanktannas in München – mit „balas“ (Latinisch für Knödel) mal ganz anders .