Das Mehr-Zeit-Café
Leider ist dieser Beitrag mittlerweile ein Nachruf. Das bezaubernde T7 hat die Corona-Zeit nicht überstanden. Wie traurig, dass ein solch besonderer Ort schließen musste. Aber gerade, weil hier ein ganz besondere Spirit zu spüren war, wollte ich den Beitrag nicht einfach entfernen.
Frühstück, ein kleiner Lunch Afternoon Tea, Snacks, Kuchen Pralinen und viele liebevoll ausgesuchte Geschenke für andere oder einfach auch mal für sich selbst. Das ist das T7 in der Thalkirchner Straße in München, in der Nähe des Sendlinger Tors. 2014 eröffnet wollte Besitzerin Angi Striedel damit eine kleine Oase schaffen, in der man – nicht digital – miteinander spricht und Geschenke noch persönlich aussucht – also eigentlich ganz gegen den Trend.
Als ich für dieses Interview zu ihr komme, sitzt sie gerade mit einer Kundin vor dem Laden. Und auch wenn die Straße von parkenden Autos gesäumt ist, irgendwie steht hier die Zeit ein bisschen still. Zarte Töne, liebevolle Dekoration, und ein paar Tische im Innenraum, Angi Striedl und das Team selbst ansteckend freundlich – es ist ein klitzekleines Paradies hier.
Wie ist die Idee zu diesem Ort denn entstanden?
Da gibt es zwei Ansätze oder eigentlich drei. Erstens: Ich habe als Projektmanagerin in einem großen Versicherungskonzern gearbeitet und wusste irgendwann, dass ich das nicht mein Leben lang machen möchte. Mein Vater arbeitet in der christlichen Drogenarbeit und weil ich diese Arbeit kenne, wollte ich ein Business schaffen, bei dem ich langfristig auch Arbeitsplätze für Leute schaffen kann, die es auf dem normalen Arbeitsmarkt nicht so leicht haben. Wer hier arbeitet, darf gesund und heil werden. Und als mir klar wurde, dass es wohl eine Art Café werden würde, kam es mir darauf an, ein Mehr-Zeit-Café zu haben. Man kommt hier an und zur Ruhe, kann vielleicht auch mal ein bisschen arbeiten, aber vor alle einfach nur ein wenig genießen.
Und man kann hier auch wunderschöne Dinge kaufen. Vom Porzellan von „Greengate“ über bezaubernde Interior-Stücke bis zu kleinen kulinarischen Mitbringseln..
Ich habe die Lizenz ja nur für ein Ladengeschäft und darf daher nur ein Drittel Café- Betrieb haben. Da ist aber auch gut so, denn nur mit dem kleinen Café reicht es finanziell nicht. Das sollte auch über die Geschenkartikel laufen.
Sollte? Heißt das, es funktioniert nicht?
Leider funktioniert das nicht ganz so wie ich gedacht hatte. Viele Leute kaufen ja nicht mehr im Einzelhandel. Deswegen bieten wir jetzt auch noch ab und zu Eventfloristik an.
Stimmt, die Gestecke habe ich gerade gesehen – und wollte gleich nochmal heiraten! Aber zurück zum Funktionieren. Du kommst ja nicht aus der Gastronomie. Hast Du das unterschätzt?
Nein, ich bin das Ganze schon sehr durchdacht angegangen. Ich komme ja aus dem Projektmanagement – und da ist es dann letztlich egal, ob man eine Software-Entwicklung oder einen Geschenkladen mit Café planen muss – es war mir schon klar, was auf mich zukommt und dass ich mich in die verschiedensten Bereiche einarbeiten muss. Ich war bei der Lokalbaukommission, habe mir die über 100 Jahre alten Pläne des Hauses angeschaut. Ich habe mich um Technik, Stromversorgung und Hygienevorschriften gekümmert und natürlich einen Businessplan aufgestellt. Während des Studiums hatte ich auch im Catering gejobbt, kannte die Branche also auch ein bisschen – und wollte daher unbedingt „nur“ ein Tagescafé haben. Aber auch nur dieses Tagesgeschäft hält einen ganz schön beschäftigt. Ich bin selbst sehr strukturiert, aber wenn dann Mitarbeiter ausfallen, wird’s schon mal schwierig. Aber mit Gottes Hilfe geht das dann immer noch.
Du hast vorher gesagt, Du wolltest ein Mehr-Zeit-Café. Kannst Du das nochmal erklären?
Eigentlich hat das zwei Seiten. Einmal geht es mir darum, dass meine Gäste hier zur Ruhe kommen können. Dann möchte ich auch, dass meine Mitarbeiter sich wohl fühlen und ich selbst möchte mir auch Zeit geben. Ich bin jetzt im dritten Jahr und natürlich war mir klar, dass ich mit zwei, drei Jahren rechnen muss, um ein Business aufzubauen. Das hat Gott schon so eingerichtet. Es dauert bis eine Rose gewachsen ist und ein Bauer, der sät, muss warten bis seine Saat aufgeht und aufpassen, dass sie dann auch keiner wegfrisst. Ich finde es natürlich, wenn man langsam wächst und dann auch bleibt.
Du erwähnst oft ganz selbstverständlich Gott – kommt das aus Deiner Familie?
Eigentlich nicht, auch wenn man es wegen der Arbeit meines Vater für die christlichen Drogenarbeit München meinen könnte. Aber mein Vater ist mein Adoptivvater. Ich bin selbst Waisenkind und in sehr schlechten Verhältnissen aufgewachsen. Das hat bei mir natürlich auch Spuren hinterlassen. Lange habe ich eine Art Parallelleben geführt, auf dem zweiten Bildungsweg BLW studiert, alles daran gesetzt nie dort zu enden, wo ich hergekommen bin. Das wirkt dann nach außen so toll, aber kaum einer sieht, dass dahinter auch eine verletzte Seele steht. Zur Freikirche bin ich dann konkret durch eine Freundin gekommen, aber das war für mich auch kein Zufall. Gott hat mich gesehen und so geführt, dass ich das, was ich an Dankbarkeit bekommen habe, auch selbst weitergeben möchte.
Ich unterhalte mich an dieser Stelle mit Angi noch ziemlich lange über das Thema Religion, was ich hier nicht dokumentieren werde. Ich wollte es nur nicht aus diesem Interview herausnehmen, weil sie eine so ansteckend frohe Ruhe ausstrahlt, die sie sicherlich ihrem Glauben verdankt – ohne irgendjemanden missionieren zu wollen.
Zurück zum Café. Es gibt bei dir englischen Tee und Münchner Kaffee (von emilio). Es gibt Croissants und Scones aber auch kleine Salate, Quiches, Omlette und Zwiebelsuppe – immer mit Herz – ganz wortwörtlich! Kochst Du selbst?
Ich nicht, aber meine Mädels. Bei uns ist, bis auf ein paar Pralinen und Kochen (fast) alles selbst gemacht. Auch wenn meine Mitarbeiter nicht direkt aus der Gastro kommen, wir haben bei jedem Gericht einen Anspruch. Ich achte sehr auf Produktqualität und mein Motto lautet „Wo die Liebe den Tisch deckt, ist das Essen am besten.“ Und das sage ich auch meinen Leuten: Eine Minute mehr Aufwand und dafür aus der Gurke ein Herzchen ausgestochen und auf den Teller gelegt – die Leute freuen sich einfach drüber (genauso wie über den Herzlolli zum Cappuccino). Das Essen soll eben auch vom Auge her ansprechen. Gerade weil wir so klein sind, können wir uns diesen Aufwand leisten. Wir haben auch keine Mikrowelle. Deswegen müssen unser Gäste eben auch mal nicht nur fünf Minuten warten.
Was sie gerne tun. Während unseres Gespräches kommt ein Pärchens in den Laden, gibt seine Bestellung auf, lässt die Taschen hinter der Theke stehen und kommt nach etwa 15 Minuten wieder, um dann ganz in Ruhe zu genießen. Überhaupt wird hier echte Nachbarschaft gelebt. Zu Anfang unseres Gespräches kam eine Nachbarin, die im Büro der Lollo (Einrichtung der akuten Wohnungslosenhilfe für Familien und alleinstehende Frauen) arbeitet, vorbei, um sich ins Wocheneden zu verabschieden. Angi erzählt mir, dass sie manchmal auch nur kurz ins T7 kommt, um sich eine Umarmung abzuholen und dann wieder gestärkt an die Arbeit zu gehen.
Ich muss jetzt aber unbedingt noch Kathy Scones ausprobieren. Kathy ist Engländerin, oder?
Ja, Kathy ist meine „Queen for the kitchen“, macht auch die gesamte Küchenorganisation und die Warenkunde. Und sie ist auch ein bisschen wie eine Ersatzmama. Mit Mitte 60 und nach ihrer Arbeit nach England zurück gegangen. Aber da habe ich sie wieder hergeholt, schließlich sind auch ihre Kinder hier – und jetzt mit dem Laden kann sie sich bei mir auch ihre Rente ein bisschen aufbessern. Außerdem habe ich mit ihr jemanden hier, auf den ich mich tausend Prozent verlassen kann. Kathy hat lange in einem Laden gearbeitet, in dem Bio-Kräuter verkauft werden, deswegen verwendet sie auch gerne Kräuter, was ich sehr schön finde.
Kathys Scones können süchtig machen! Das nächste Mal stehen noch ihre Flapjacks (englische Müsliriegel) auf der Wunschliste. Aber leider muss ich diesen ganz besonderen Ort irgendwann auch wieder verlassen. Zeit für die Abschlussfrage:
Gibt es etwas, was du dir für das T7 Café & Tea noch wünschen würdest?
Ehrlich? Dass die Geschenke ein bisschen besser gehen. Ich habe ja auch wirklich schöne Sachen hier, aber wenn alle nur noch online kaufen, dann wird es hier irgendwann mal sein wie in New York oder ähnlichen Städten, wo es an jeder Ecke nur noch Fastfood-Essen und Drinks und Flagshipstores gibt. Dabei machen doch individuelle Läden den Flair einer Stadt aus. Ich geh’ halt gegen den Trend. Es ist doch viel schöner, sich im Café zu treffen und miteinander zu plaudern, statt sich nur über Email und Instagram auszutauschen. Übrigens gibt es da auch viel weniger Missverständnisse.
Recht hat sie – und ehrlich gesagt, ich kann gar nicht verstehen, wie man den vielen hübschen Sachen hier widerstehen kann – siehe mein Einkäufe.
Eigentlich müsste ich auch noch erwähnen, dass Angi im T7 auch genähte Wimpel und Taschen verkauf, die eine Mutter mit fünf Kindern fertig – und an denen die T7 Betreiberin nichts verdient. Aber das würde dann doch zu märchenhaft klingen, oder?
Bye bye und Au Revoir – schade, dass Ihr nicht mehr da seid!