Pâtes galten wegen ihrer aufwändigen Herstellung lange Zeit als die Königsklasse der Fleischfarcen. Vielleicht auch weil sie also sehr viel Aufwand und Handwerk benötigen, sind sie irgendwann irgendwie unmodern geworden. Zwei Schwestern aus dem Saarland könnten das ändern. Denn schon bei der Beschreibung ihrer Pâtés läuft einem das Wasser im Mund zusammen. Wie eine IT-lerin zur Pâté kommt, wie das so läuft mit der Finanzierung weiblicher Projekte und wie die (vermeintlich) schwere Pâté auch im Sommer schmeckt, darüber habe ich mit dem Schwestern Annette Jacob & Ulrike Roth von Délisoeurs gesprochen.
Frau Jacob, Sie selbst sind ursprünglich aus der IT-Branche. Wie kommt man denn da ausgerechnet dazu, sich auf die Herstellung von Pâtés zu spezialisieren?
Annette Jacob: Wir haben natürlich nicht einfach gesagt „Ach, jetzt lass uns mal Patés machen!“ Unsere Eltern waren schon Metzger. Und meine Schwester und ihr Mann haben Pâtés (unter anderem) fast 20 Jahre lang in ihrem Metzgereibetrieb produziert und waren dafür auch bekannt. Als meine Schwester 2017 ihr Geschäft aufgeben musste, war ich persönlich gerade beruflich an einem Punkt, an dem ich gerne etwas ganz anderes machen wollte. Vor allem nicht mehr von morgens bis abends am Schreibtisch sitzen. Und so haben wir nach vielen Gesprächen beschlossen, dass wir gerade dieses Produkt, die Pâté, nicht verschwinden lassen wollten. Sondern sie im Gegenteil unter einem ganz neuen Label weiter leben zu lassen.
Und die Produktion macht wahrscheinlich Ihre Schwester?
AJ: Nee, die mache ich!
Aber Sie kamen ja nicht aus dem Metzgerhandwerk. Man mixt ja nicht mal einfach so was zusammen?
AJ: Ich habe schon immer leidenschaftlich gerne gekocht. Und auch wenn die Pâtéproduktion natürlich nochmal etwas ganz anderes ist, der Zugang zu und der Respekt vor guten Wurstprodukten war bei mir schon immer da. Außerdem habe ich bereits vor den Délisoeurs immer schon mal in meiner Freizeit in der Metzgerei mitgeholfen und habe auch im letzten halben Jahr die Pâtés für das Geschäft meiner Schwester eigenverantwortlich produziert
Ulrike Roth: Das muss ich erklären, auch wenn es ein trauriges Kapitel ist. Mein Mann ist vor sechs Jahren gestorben. Das war auch der Grund, warum ich irgendwann das Geschäft aufgeben musste. Die letzten vier Geschäftsjahre war ich alleine mit den Gesellen. Und als sich schon anbahnte, dass der eine oder andere aufhören würde, ist meine Schwester eben in der Produktion eingesprungen. So konnte sie von allen Angestellten und einem tollen Meister lernen, musste also nicht von einem auf den anderen Tag eigenverantwortlich produzieren. Im letzten halben Geschäftsjahr, als auch die Idee der Délisoeurs bei uns entstand, war sie dann allerdings wirklich schon die Chefin der Pâtés und ich bin sehr, sehr stolz auf sie!
Ich finde auch den Mut großartig, mit dem Sie das neue Label angegangen sind. Denn von „Ich habe eine gute Idee“ zur erfolgreichen Selbstständigkeit ist es ja dann doch noch ein ganz schöner Weg!
AJ und UR: Das stimmt. Wir mussten auch wirklich ganz schöne Hürden überwinden. Das fing schon bei der Finanzierung an. Wir hatten einen wasserdichten Businessplan aufgestellt, den wir der Bank vorgestellt haben. Zudem gibt es ja in allen Bundesländern auch verschiedene Fördereinrichtungen. Das alles hat sich für den Herrn bei der Bank ganz gut angehört, wie er uns versichert hat. Doch dann kam irgendwann einfach eine Absage. Als wir uns dann ein bisschen umgehört haben, haben wir schnell festgestellt, dass unser Bereich, also alles, was mit Lebensmitteln zu tun hat, für die Banken wohl eher nicht so interessant ist. Hätte ich ein neues IT Projekt auf die Beine stellen wollen, hätte ich wahrscheinlich direkt eine Zusage bekommen. Wir konnten die Finanzierung letztendlich privat lösen. Heute sind wir eigentlich auch froh, dass wir nicht von einer Bank abhängig sind. Abe es ist doch schade, dass solche Projekte nicht stärker gefördert werden.
Hatten Sie je das Gefühl, dass es daran lag, dass Sie beide Frauen sind?
AJ: Nö, das würde ich gar nicht sagen. Was vielleicht wirklich anderes war: Mein Businessplan war wirklich sehr realistisch. Ich habe kein Szenario nach dem Motto „Wow – wir starten jetzt voll durch!“ geschrieben. Ich könnte mir vorstellen, dass Männer da anders auftreten. Aber bei unseren Gesprächen mit anderen Produzenten haben wir keinen Unterschied festgestellt. Das Thema Finanzierung ist in unserer Brancheschwierig, auchfür Männer.
Vielleicht haben auch die Banken nicht verstanden, was für Köstlichkeiten Pâtés eigentlich sind?
AJ und UR: Das mag sein. Sie haben ja zu Anfang auch gesagt, es ist kein Produkt, das im Moment so trendy ist: Aber: Vielleicht haben wir gerade deswegen Erfolg. Am Anfang haben tatsächlich auch Branchenkenner gemunkelt: „Wollt ihr das wirklich machen? Nur so mit einem Produkt?“ Aber ich denke: Wir haben eine Nische gefunden und wollen das Ganze sachte aufbauen. Uns kommt es nicht darauf an, jetzt ganz schnell einen hohen Absatz zu erzielen. Uns ist es beispielsweise auch wichtig, wer unsere Produkte kauft.
Sie wählen also Ihre Kunden aus?
AJ und UR: Ohja. Es geht uns ganz sicher nicht um „Hauptsache das Zeug ist weg“. Wir wollen Kunden bekommen, die unser Produkt schätzen und auch entsprechend damit umgehen. Es ist enorm wichtig, wie ein Produkt in der Theke präsentiert, wie es gepflegt wird. Das sind oft nur Kleinigkeiten, die uns aber wirklich wichtig sind.
Das erinnert mich sehr stark an Karen Schröder-Berg und ihren Käse aus Berlin, die ich auf den Culinary Ladies auch schon vorgestellt habe.
AJ: Ist das die Dame, die den Käse auf ganz besonders achtsame Weise über die Theke reicht? Das haben wir gelesen, genau um solche Kleinigkeiten geht es. (Link zu Karen Schröder Berg am Ende des Interviews)
Wer also sind Ihre Kunden?
UR: Im Moment Feinkostgeschäfte und gut sortierte Einzelhändler, die einen gewissen Anspruch haben. Aber auch Gastronomiebetriebe und Hotels, die Ihren Gästen etwas Besonderes anbieten möchten.
Auf den Culinary Ladies möchte ich Frauen ja auch Mut machen. Aber genauso wichtig ist es mir zu vermitteln, dass man gerade eine Selbstständigkeit mit Realismus angeht. Leider gibt es immer wieder Frauen (und sicher auch Männer), die irgendein (Lebensmittel-) produkt hobbymäßig produzieren und ohne Businessplan, aber auf Basis von „Alle meine Freunde haben gesagt, damit MUSS ich mich selbständig machen“,finanzielle Disaster hinlegen.
Beide lachen: Ja, es ist tatsächlich wichtig, dass man genau weiß, auf was man sich einlässt. Uns war es wie gesagt auch wichtig, dass wir langsam wachsen und nicht sagen. „Wir machen jetzt den größten Pâtéhandel überhaupt“.
Wobei man natürlich Träume haben kann. Was wären denn Ihre?
AJ: Unser Traum ist, dass die Pâté von den Kunden als Ganzjahres-Produkt wahrgenommen wird.
Weil man sie bisher vor allem mit Herbst und Winter verbindet?
AJ und UR: Ja, das ist ein Thema, mit dem wir ein bisschen kämpfen. In den Köpfen der Verbraucher wird Pâté oft mit Weihnachten, vielleicht noch mit Ostern verbunden. Das ist in Frankreich beispielsweise ganz anders, dort gehört die Pâté das ganze Jahr auf den Speiseplan, es gibt keine Saison. Und da wir ja hier direkt an der Grenze zu Frankreich leben, kennen wir da auch so. Deswegen versuchen wir gerade die Kunden davon zu überzeugen, dass Pâtés im Sommer prima schmecken – zum Beispiel gerade auch, wenn man mal keine Lust hat, den Grill anzuschmeißen. Und natürlich wäre es auch toll, dass wir nach und nach international bekannt werden.
Das ist doch ein realistisches Ziel. Jetzt haben wir so viel über Sie gesprochen, aber wir müssen natürlich schon noch auf die Produkte von Délisoeurs eingehen.
AJ: Also unser Schwerpunkt sind eben die Patès. Sieben Sorten davon gibt es ganzjährig. Die werden ergänzt um aktuell fünf saisonale Sorten, die eine Laufzeit von etwa drei Monaten haben – also Frühling, Sommer, Herbst, Winter (eine aktuelle Liste am Ende des Interviews). Und außerdem produzieren wir noch eine Burgunderschinkenterrine, etwas komplett anderes. Das ist es im Moment. Vielleicht kommt auch in den nächsten Jahren das eine oder andere Produkte dazu, aber im Moment wollen wir uns auf das Thema Pâté konzentrieren.
Was sind denn Beispiele für die saisonalen Produkte.
AJ: Wir hatten im Frühling und passend zur Osterzeit die Sorte „Printemps“ mit Eierlikör und Pistazien, jetzt im Sommer geht es weiter mit „Toulouse“ mit geröstetem Spitzpaprika, geröstetem Knoblauch und Thymian. Im Herbst kommt „Vielle Prune“ mit Pflaumen und zum Winter haben wir eine Pâté mit Orangen und Pinienkernen.
Die Entwicklung neuer Rezepturen macht sehr viel Spaß. Aber mit Themen wie beispielsweise Labortests und Produktpass steckt auch hinter jeder neuen Sorte sehr viel Aufwand. Würden wir plötzlich 20 verschiedene Sorten machen, würde uns das überrollen.
Woher kommt das Fleisch für die Pâtés?
UR: Es ist alles Schweinefleisch, das wir selbst auf dem Großmarkt kaufen. Da profitieren wir natürlich von den langjährigen Geschäftsbeziehungen durch unsere ehemalige Metzgerei. Wir sind schon seit über 40 Jahren mit vielen Händlern verbunden und wissen, dass bei uns der Chef persönlich darauf achtet, dass wir die hohe Qualität bekommen, die wir unbedingt haben möchten.
Und wie sieht es mit dem Thema Regionalität aus?
UR: Das Fleisch kommt ausschließlich aus Deutschland. Es gäbe auch einen großen Markt in Belgien. Aber das kommt für uns nicht in Frage, weil dort das Thema Tierschutz einen niedrigen Stellenwert hat. Ganz regional ist in unserem kleinen Saarland manchmal schwierig. Es gibt hier keine größeren Betriebe, und wenn wir bei einem kleinen Bauernhof ein einzelnes Schwein kaufen würden, kämen wir nicht weit damit. Aber wichtig ist uns tatsächlich, dass wir immer genau wissen, woher das Fleisch kommt.
Beim Thema Pâté spielt ja auch das Thema Innereinen, insbesondere Leber, eine Rolle. Aber gerade die mögen viele Leute ja nicht …
UR: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich die Abneigung vor allem auf warme Produkte bezieht – und schlechte, wenn die Leber beispielsweise mehlig schmeckt. Aber Kalbsleberwurst ist in allen Metzgereien ein sehr gefragtes Produkt und die Pâtés gehen ja in dieselbe Richtung.
AJ: Was bei uns auch eine Rolle spielt: Wir sind ja wirklich eine Manufaktur, hier wird (fast) alles von Hand gemacht. Und bei der Bearbeitung der Leber sind wir sehr akribisch. Da ziehen wir, sozusagen wie im OP, jedes Fädchen raus.
UR: Darauf legen wir wirklich großen Wert, denn unsere Pâté ist ja mittelgrob und nicht ganz fein. Und je grober eine Pâté ist, desto weniger kann ich verbergen, desto sauberer muss ich arbeiten.
Was passt denn Ihrer Meinung nach eigentlich am besten zu einer Pâté?
AJ und UR: Eigentlich braucht man gar nicht viel dazu. Gutes Brot, einen guten Wein und das ist es eigentlich. Und das Schöne an unserer Pâtés: Sie schmecken gar nicht so stark nach Leber. Und sie haben eine ganz tolle fleischige Konsistenz und wenig Fett. So schmeckt man auch die einzelnen Zutaten viel stärker heraus. Man braucht auch tatsächlich nicht einmal unbedingt Brot dazu, sondern kann sie wunderbar nur mit ein bisschen Salat oder mediterranem Antipastigemüse kombinieren. Da ist wirklich vieles möglich, auch als Produkt für die Gastronomie.
Manchmal kann man Sie ja auch live erleben …
AJ und UR: Ja, wir versuchen immer nebenbei noch Events zu machen, weil das natürlich eine schöne Möglichkeit ist, das Produkt bekannter zu machen. So haben wir zum Beispiel schon mit einem befreundeten Sommelier zu einen Event unter dem Motto „Sieben Weine küssen sieben Pâtés“ eingeladen, im Mai dieses Jahres gab es eine Genuss-und-Weinwanderung durch das Naturschutzgebiet und im Herbst werden wir auch verschiedene Verkostungen vor Ort in Deutschland anbieten.
Gibt es denn etwas, was Sie heute anderes machen würden als vor zwei Jahren?
Beide wie aus einem Mund: Nö!
Zumindest optisch verkosten könnt Ihr hier
Bildnachweise: Delisouers