Frauen, nennt Euch „Sultans“

Asma Khan Porträt

„Frauen sollten sich „Sultan“ nennen, denn das bedeutet nicht (männlicher) König, sondern „Person mit großer Authorität“ (Asma Khan)

Asma Khan zu beschreiben, erfordert mehr als nur ein paar Sätze. Doch das Lesen lohnt sich, versprochen. Sie ist in London nicht nur Köchin, Restaurant-Besitzerin und Mutter – sonder vor allem eine Frau, die jeden Tag andere Frauen unterstützt. Ganz praktisch mit ihrem Restaurant Darjeeling Express, in dem nur Frauen mit Migrationshintergrund arbeiten und in jedem Gespräch, im dem sie mit ansteckender Leidenschaft darüber spricht, warum wir Frauen andere Frauen unterstützen müssen. 

Wenn Ihr gleich zum Interview springen wollt, dann einfach ein bisschen nach unten. Mir war in diesem Falle eine Einführung aber ungeheuer wichtig:

Asma Khan mit Ihren Frauen im Darjeeling ExpressTiefe Verbundheit mit Frauen

Bevor wir uns trafen, wusste ich bereits, dass sie sich sehr für das Gender-Thema interessiert, da sie selbst eine „zweite Tochter“ in ihrer indischen Familie ist. Aber während unseres Gesprächs war ich einfach fasziniert von ihrer tiefen Verbundenheit mit Frauen. Sie setzt sich nicht nur für die Rechte von Frauen aus Indien ein (worauf sie leider von einigen Journalisten reduziert wurde), sondern für Frauen jeder Herkunft, Religion und Hautfarbe. Sie spricht darüber nicht mit leeren und kämpferischen Parolen, sondern mit einem hohen Maß an Einfühlungsvermögen, intelligenter sozialer Beobachtung und vor allem „Kindness“ (das ist im Deutschen irgendwie weder mit „Freundlichkeit“ noch mit „Liebenswürdigkeit“ richtig übersetzt wird). Ihre Beobachtungen und Ideen beziehen sich nicht nur auf Situationen aus Ländern, die wir in der westlichen Welt gerne mit „aber bei uns ist es ganz anders“ abtun, sondern auf Situationen, die viele von uns aus ihrer eigenen Karriere  und ihrem Leben kennen. Und so erklärt sie auch, warum sich jede Frau „Sultan“ nennen sollte. Darüber habe ich mit ihr gesprochen, und über ihre Gedanken zu Frauen, die Frauen unterstützen (oder eben nicht). Darüber, wie wir Einwanderer behandeln sollten, und darüber, warum sie selbst den gleichen Lohn wie ihre Angestellten erhält. Lest dieses Interviewes hat mir sehr vieles vor Augen geführt und mich tief berührt und damit auch motiviert. 

Ein paar Fakten

 Nur um Sie ins Bild zu bringen, ein paar Fakten über Asma Khan (mit ein wenig Hilfe von Wikipedia): Die in Indien (Kalkutta) geborene Asma Khan ist heute Köchin, Multi-Restaurant-Besitzerin (Darjeeling Express in London), Kochbuchautorin und freundliche Kämpferin für Frauenrechte. Im Juni 2019 wurde sie vom Online-Magazin „Business Insider“ zur Nummer 1 auf der Liste der „100 Coolsten Menschen in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie“ gewählt. 

Die zweite Tochter geht in die Welt

Warum die „zweite Tochter“ hervorheben? Weil in Indien die zweite Tochter zu sein – in weiten Teilen der Gesellschaft, in der männliche Kinder viel mehr geschätzt werden – eine „Enttäuschung“ für die Eltern ist – eine Tatsache, die Asma Khan mit großem Engagement verändern will.  

1991 zog Asma Khan mit ihrem Mann nach Cambridge und 1996 nach London, wo sie am King’s College Jura studierte und 2012 mit einem Doktorat in britischem Verfassungsrecht abschloss.   

 2012 bot sie in ihrem Haus eine Reihe von privaten Dinner-Clubs an. Vivek Singh, der bekannte Küchenchef und Gastronom, besuchte einen davon und lud sie ein, ein Pop-up in seinem Restaurant The Cinnamon Club zu veranstalten. Da sie von Anfang an mit, zumeist Migrantinnen, die zum ersten Mal in einer professionellen Küche waren, zu arbeiten hatte sie zunächst zu kämpfen – bis die Rezension eines bekannten Restaurantkritikers des „London Evening Standard“ große öffentliche Aufmerksamkeit und schließlich Kunden auf sich zog.  

Darjeeling Express nur mit asiatischen Immigrantinnen

Um die Geschichte kurz zu machen: 2016 eröffnete sie ihr Restaurant Darjeeling Express, das indische Hausmannskost-Spezialitäten anbietet. 

Das Team von Asma Khans besteht und bestand aus asiatischen Immigrantinnen, die alle eine Vollzeitbeschäftigung hatten und nie professionell ausgebildet wurden; sie arbeiteten anfangs an ihren freien Tagen für Khan, konnten aber an ihren anderen Arbeitsplätzen die Arbeitszeiten reduzieren und sie schließlich ganz aufgeben. Die meisten der rein weiblichen Küchenangestellten im Restaurant sind zweite Töchter. Alle sind Südasiaten.   

Und hier endlich das Interview 

 Asmawar es ein Zufall oder Ihre klare Absicht, nur mit Frauen zu arbeiten?  

Vorallem auch mit Frauen mit Migrationshintergrund! 

Richtig, das kam noch dazu. Und ich wette, viele Leute denken jetzt: „Oh, das ist toll! „Aber ich stelle mir vor, dass das auch nicht immer ganz leicht war. 

Nein, das war es wirklich nicht. 

Was waren die größten Schwierigkeiten? 

Die bestanden darin, den Menschen zu zeigen, dass so etwas tatsächlich funktionieren kann. Es gab ja kein Vorbild, kein erfolgreiches Beispiel.  Als ich 2017 mit diesem Projekt begann, gab es niemanden wie mich. Und leider können sich die wenigsten Menschen etwas vorstellen, was sie (noch) nicht sehen können. Auch nicht diejenigen, die mit mir arbeiten sollten. Diesen Menschen muss man erst einmal „beibringen“, an sich selbst zu glauben, indem man ihnen zeigt, was sie erreichen können. 

Wenn heute, nur wenige Jahre später, eine Frau, egal welcher Hautfarbe, Herkunft oder Nationalität, ein Unternehmen gründen möchte und sagt: „Ich möchte Hausfrauen haben und ein Restaurant mit Frauen in den Fünfzigern gründen, dann gibt es unsere Geschichte hier als Beispiel: Sehen Sie, die hat es mit nur mit Frauen probiert, mit Frauen aus verschiedenen sozialen und ethnischen Hintergründen – und es ist erfolgreich!“  

Das war also wirklich das Schwierigste: an eine Geschichte zu glauben, an einen Traum, den noch nie jemand gesehen hatte, der sich erfüllt hat.  

Eigentlich glaube ich, dass dies wirklich das größte Problem für viele Frauen ist  auch und vor allem in Führungspositionen oder bei der Planung eines Unternehmens. Es gibt einfach nicht genug Vorbilder.  

Das stimmt. Diese Vorbilder sind tatsächlich sehr wichtig für uns. Aber es gibt noch einen anderen Aspekt: Es ist so wichtig dass Frauen, die es geschafft habenauch andere Frauen  unterstützen, es zu schaffen. Wissen Sie, ich will die gläserne Decke nicht durchbrechen, ich will das ganze Gebäude zum Einsturz bringen – und es mit Frauen füllen. (sie lacht strahlend) 

Ich will nicht die Nummer ein oder die Einzige sein, der etwas gelingtUnd leider ist das sehr oft das Problem mit Frauen: Toll, sie ist die Geschäftsführerin irgendeines Unternehmens, als einzige Frau. Aber mit wie viele Frauen arbeitet sie? Spricht sie über Frauenfragen? Spricht sie über Emanzipation? Viele von ihnen tun es nicht. Sind sie an der Spitze, sprechen Sie nur noch über ihr Unternehmen und über ihre Position. Sie vergessen, wer sie sind. Und das ist sehr schädlich für uns.  

 Um genau das nicht zu tunhabe ich mein Restaurant so konzipiert, wie es bis heute ist.. Und deshalb bin ich sehr glücklich, dass Sie um ein Interview mit mir gebeten haben. Ich habe gesehen, was Sie tun und dachte: „Großartig!“ Denn wenn ich mit Ihnen spreche, spreche ich mit den Frauen. Denn Sie und ich kämpfen den gleichen Kampf. Unser Hintergrund ist unwichtig. Sie trauen sich über Hürden, genau wie ich. 

Das freut mich natürlich sehr, dass Sie das so sehen. Und ja, ich glaube, es gibt wirklich ein Problem von Frauen in Positionen, in denen sie etwas für andere Frauen tun könnten. Ja, es gibt immer noch Probleme mit Männern, in Ihrem Heimatland noch mehr als hier. Aber ich denke, diese Probleme müssen zwar definitiv gelöst und verändert werden, aber ich möchte sie nicht ständig zum Thema , weil es immer die Frauen als Opfer zeigt. Stattdessen sollten wir die Frauen feiern, die es schaffen. 

 Ja, das sollten wir. Aber diese Frauen haben die Pflicht, andere Frauen zu unterstützen. Sie müssen über sie sprechen. Und eine erfolgreiche Frau muss auch darüber reden, wie schwer ihr Weg war. Sie muss auch davon erzählen, mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen hatte und vor allem wie sie diese überwunden hat. 

 Frauen fangen erst seit wenigen Jahren, sich zu ernsthaft vernetzen. Ist dies ein Schritt in die richtige Richtung? 

In gewisser Weise schon. Sehen Sie, Männer vernetzen sich abends in Bars oder am Wochenende beim Golfspielen oder bei einer anderen Sportart. Für eine Frau sind Acht Uhr-Drinks nach der Arbeit sehr oft keine Option. Die meisten von uns sind dann schon todmüde. Weil wir alle noch weitere Aufgaben haben   die Männer nicht. Ob wir uns um unsere älter gewordenen Eltern oder um die Kinder kümmern müssen oder auch das Familienhaustier versorgen; all das ist in unserer Gesellschaft immer noch unsere Aufgabe. Deshalb können sich die meisten von uns nicht einfach mal nach der Arbeit treffen.   

Deshalb müssen wir Raum für die Frauen schaffen. Und deshalb finde ich das, was Sie tun, unglaublich, denn es bildet eine virtuelle Plattform.  

 (Eigentlich ist mir dieses Lob peinlich, denn wir stehen noch am Anfang. Aber vielleicht sollte ich auch einfach stolz sagen Ja, und wir werden bald wachsen und stärker werden!“). 

Nochmals vielen Dank. Ich finde auch den Gedanken, dass Frauen Frauen unterstützen so wichtig. Daher ist er mir auch so wichtigm dass „meine“ Ladies automatisch an andere Frauen denken, wenn sie beispielsweise eine eigene Veranstaltung planen. Ich möchte nicht die einzige sein, die Veranstaltungen entwickelt und organisiert. Aber ich denke, es braucht Zeit, um diesen Geist auf uns alle zu übertragen. 

 Aber es ist so wahr: Frauen sollten Frauen unterstützen, denn wenn sie es nicht tun, wer tut es dann? 

 Und was ist mit der Zusammenarbeit mit Männern? 

Der Punkt ist: nicht mit Männern zu kämpfen. Natürlich sollte eine Frau, wenn sie für genau dieselbe Position wie einer ihrer männlichen Kollegen weniger bezahlt wird, dasselbe Gehalt fordern und dieses Problem auch öffentlich machen. Schauen Sie sich an, was mit der BBC passiert ist, dafür wurde sie sogar verklagt. Und das ist richtig und gut. Denn wenn sowas in einem Unternehmen wie der BBC passiert, wissen Sie, dass es überall passiert – sogar hier in der westlichen Welt.  

Wenn Sie sagen, wir sollten nicht mit den Männern kämpfen, meinen Sie, wir sollten für unsere Rechte kämpfen, aber nicht gegen die Männer? 

Wir sollten Männer nicht als Feinde betrachten. Auf diese Weise schwächen Sie Ihre eigene Position. Sie schwächen Ihre Position, indem Sie einen Feind schaffen, den Sie hassen. 

 Was wäre dann besser? 

Was Sie stattdessen tun sollten, ist, Liebe für sich selbst zu schaffen. Vergessen Sie, was mit den Männern los ist. Es geht ihnen sehr gut – und ich bin sehr glücklich darüber. Ich mache mir keine Sorgen um sie. Ich sorge mich nur um die Frau, die sich quält. Die erfolgreich sein will. Ich mache mir Sorgen um ihre psychische Gesundheit, weil sie erschöpft ist, weil sie überall sein muss. Sie fühlt sich schuldig, weil sie arbeitet und sich um die Kinder kümmern muss und keine Unterstützung vom Partner bekommt. Wir alle kennen diese Schuldgefühle. Wenn wir zu Hause sind, fühlen wir uns schuldig wegen der Arbeit, wenn wir bei der Arbeit sind, fühlen wir uns schuldig wegen zu Hause.  

 Wir werden fast immer diejenige sein, die bei Familienangelegenheiten einspringt. Denn wir sind die, die sich kümmern, die „carer. Das sind wir einfach, das liegt in unserer DNA. Und auch die Gesellschaft erwartet von uns, dass wir uns kümmern: Sie sind eine Frau, eine Mutter, eine Tochter? Sie kümmern sich! Und im Allgemeinen ist daran ja gar nichts auszusetzen.  

 Ich spreche oft mit deutlich jüngeren Frauen und sie sagen mir, dass dies nur in einem altmodischen Lebensmodell noch so gehandelt wird und dass ihre eigene Generation schon viel selbstbewusster ist und von ihren Partnern viel mehr familiäres Engagement verlangt. Aber leider beweisen die Statistiken etwas anderes. Sobald es darum geht, eine Familie zu gründen, fallen die meisten von ihnen in die traditionellen Rollen zurück – mit etwas mehr männlichem Engagement als in den älteren Generationen.  

Und wie ich schon sagte, ist daran nichts auszusetzen. Aber denken Sie daran: Es ist wie ein Rennen. Schon beim Start sind uns zwei schwer Steine an die Füße gebundenden Männern gar nichts. Und man sagt uns, dass wir ohnehin nicht gewinnen können. Aber trotzdem laufen wir das Rennen. Das passiert den Frauen überall. Wir laufen weiter. Und einige von uns kommen irgendwie auf die Zielgerade und gewinnen sogar. Der Rest wird es nie schaffen. Denn das Top-Management besteht überall aus Männern. Deswegen sage ich ja: Wenn eine Frau es schafft ans Ziel zu kommen, sollte sie dabei helfen, einige Steine von den Füßen anderen zu binden 

 Das meine ich, wenn ich sage: Ich will nicht die gläserne Decke durchbrechen, ich will das ganze Gebäude abreißen. Dann gibt es niemanden, der höher oder niedriger ist, und wir alle sind Gewinner, und wir alle können unsere Träume verwirklichen. 

Was ist also Ihr Traum? 

Das IST mein Traum – und das träume ich jede Nachtdie Ketten der Frauen zu durchbrechen. Aber ich kann die Ketten niemals brechen, wenn die Frauen selbst ihre Ketten nicht sehen können. Das ist zum Beispiel der Fall in meiner Kultur.   

Asma Khan in Darjeeling ExpresssApropos unterschiedliche Kulturen. Sie sind selbst eine Nicht-Weiße, Immigrantin und Muslimin und setzen sich auch für alle diese Themen ein. 

Das ist mir auch ganz wichtig. Ich denke, unter uns Frauen müssen wir versuchen, farbige Frauen zu verstehen. Denn sie kämpfen zwei Schlachten. Als eine Frau und als eine farbige Frau.  

 Sie haben Recht. Und das ist etwas, das vor allem die Menschen in der nordwestlichen Welt wirklich verstehen müssen. Denn früher hatten wir nicht so viele Menschen anderer Hautfarbe in unseren Ländern (außer in den Niederlanden und in Großbritannien vielleicht aufgrund ihrer Geschichte), und die Probleme für, insbesondere weibliche, Einwanderer aus der Türkei zum Beispiel konnten (leider) leicht ignoriert werden. Aber heute ist das nicht mehr möglich. Es ist unsere Pflicht, auch diese Frauen in unsere Gesellschaft – und in unser Wirtschaftssystem – zu integrierenAngefangen damit, dass wir uns mit ihrer Kultur auseinandersetzen 

Genau. Und dieses kulturelle Verständnis muss man sich erarbeiten. Wissen Sie, manchmal sind die Leute überrascht, wenn ich ihnen sage: „Ich esse kein Schweinefleisch, weil ich Moslem bin.“  Sie sind sehr verwirrt, weil sie denken: „Oh, sie isst kein Schweinefleisch wegen ihrer Religion? Dann muss sie sehr traditionell sein. Aber warten Sie, sie ist modern, und erfolgreich! Wie ist das denn möglich?“ 

 Wie fühlen Sie sich, wenn Sie diese Reaktion erhalten? 

Ich selbst war in einer relativ komfortablen (finanziellen) Situation, als ich nach Europa kam, so dass ich nicht mit diesen Vorurteilen UND finanziellen Problemen zu kämpfen hatte. Aber ich kenne immer noch das Gefühl, eine „Fremde“ zu sein und deshalb nicht respektiert zu werden. Aber wissen Sie: Ich muss nicht alles von meiner Kultur loslassen, um mich anzupassen. Stattdessen muss ich auf Menschen treffendie mich als Mensch, als Frau, als Person, umarmen. Ich brauche Menschlichkeit und Freundlichkeit. Gebt mir einfach eine faire Chance! 

 Ja, eine Frau mag einen Hijab tragen. Ja, sie mag nicht wissen, wie man manche Dinge macht, mag nicht sehr gut Deutsch oder Englisch oder Französisch sprechen. Aber sie versucht es doch. Also geben Sie dieser Person doch eine Chance und erniedrigen sie nicht, wenn sie sich bemüht.  

Ich habe in Indien angefangen, Englisch zu lernen, und es war schwierig. Heute spreche ich die Sprache fließend. Aber wenn Leute zu mir kommen, die gebrochen Englisch sprechen, schmilzt mein Herz, weil ich mich an mich selbst erinnere.  

Das ist etwas, das ich so oft auf der Straße beobachtet habe: Die Leute fragen – nach dem Weg oder einem Ratschlag in einem Geschäft – in gebrochenem Englisch, und anstatt einfach in normalen Sätzen zu antworten, antworten ihnen die Einheimischen in einer seltsam gebrochenen Sprache ohne jede Grammatik – oder gar nicht, wenn ihnen das Aussehen der Leute nicht gefällt. 

Es ist schmerzhaft, Menschen so zu behandeln. Und es ist besonders schmerzhaft, wenn Frauen andere Frauen so behandeln. Ich denke, das Wichtigste ist immer kindness (Freundlichkeit, Liebenswürdigkeit). Frauen müssen freundlich zueinander sein. Vergessen Sie sexuelle Liebe oder Beziehungen zu Männern, das meine ich nicht. Ich möchte, dass sie freundlich zueinander sind. Denn jede Frau kämpft Kämpfe, die man nicht sehen kann. Man sieht ihr nicht an welche Schwierigkeiten sie bewältigen musste, oder was sie hinter sich lassen musste, das doch wertvoll für sie war.  

Urteilen Sie nicht über sie – urteilen Sie nicht über Frauen. Das ist sehr wichtig. Kein Schubladendenken. Woher wissen Sie über sie, über die Entscheidungen, die sie treffen musste, BescheidSie wissen nichts. Das trifft übrigens nicht nur auf Imigraten zu, 

Und hier sind wir wieder bei den Frauen im Allgemeinen. Beurteilen Frauen andere Frauen zu kritisch? 

Ich weiß es nicht, aber sie sollten es nicht tun. Ich wiederhole: Sie wissen nicht, was sich hinter einem Gesicht verbirgt. Vielleicht die Entscheidung, für ihre Karriere auf ein Kind zu verzichtenUnd dann, jedes Mal, wenn sie ein Kind sieht, schlägt ihr Herz lauter. Sie wissen das nicht. Das ist das Problem: Wir wissen nicht, was eine Frau aufgeben musste. Man sollte einfach jede Person, jede Frau, mit Respekt behandeln. Das ist nicht so schwer. Denn Freundlichkeit ist keine Schwäche 

Aber ist es nicht genau das, was die Geschäftswelt denkt? Teamarbeit ja, das wird große geschrieben. Es wird viel über den Respekt vor Mitarbeitern geschrieben, ja. Aber Liebenswürdigkeit, FreundlchkeitHöflichkeit natürlich ja, aber macht man nicht mit Liebenswürdigkeit nicht zu weit auf als Chef*in 

Zu glauben, dass Freundlichkeit Schwäche sei, ist ein großer Fehler. Ganz im Gegenteil: Freundlichkeit ist Stärke. Zu jemandem freundlich zu sein, selbst wenn man dessen Position nicht ganz versteht, ist überhaupt nicht schwach. Wissen Sie, wenn ich jemanden treffe, der diese Attitüde:  „Ich bin tough„, „Ich bin aggressiv“, „Ich bin kalt“, „Ich bin ehrgeizig“ zeigt, denke ich nur „Wenn es für Sie in Ordnung ist … aber Sie sind nicht ich!“ 

Sie sind also nicht tough und ehrgeizig? 

Die Sache ist die: Ich bin gütig, ich bin weich, ich bin empathisch, ich bin sanft – und ich bin ein Gewinnerin! Ich gewinne mit genau DIESEN Qualitäten.   

Ich bin mir sicher, keiner, der mich kennenlernt, glaubt, dass ich sehr schwach bin. Und das, obwohl ich nur über Freundlichkeit spreche, obwohl ich in Flüchtlingslager gehe. Und obwohl ich zum Beispiel ider Küche meines eigenen Restaurants auch mal Töpfe abwasche. Und zwar, weil ich genau gleich bezahlt werde wie jede Person in meiner Küche. 

 Sie werden genauso bezahlt wie jede andere in Ihrer Küche? 

Mein Stundensatz ist derselbe wie der der Person, die die Töpfe wäscht. Wenn diese Person gerade eine andere Arbeit machen muss, die Töpfe aber  gewaschen werden müssen, dann mache ich das eben. Und noch keiner hat mir gesagt: „Die Firma gehört Ihnen, also lassen Sie das doch.“ Meine Mitarbeiter wissen, dass es stimmt, denn sie sehen meinen Gehaltsscheck.  

 Und so wird man einflussreich. Sie werden mächtig, indem Sie demütig werden. Sie werden mächtig, wenn Sie Ihrem Team Menschlichkeit zeigen. Versuchen Sie es und sie werden sehen, was mit Ihrem Team passiert. Sie werden zu Stammesangehörigen.  

 Ich bin heute da, wo ich bin, dank meiner Frauen. Sie würden ihr Leben für mich geben. Sie respektieren mich nicht, weil ich ihre Chefin bin. Sie sehen mich als jemanden, der sie selbst sein wollen. Denn das ist die Konsequenz: wenn sie wissen, dass wir gleich sind, dann verstehen sie auch, dass sie irgendwann wie ich werden können.   

Das ist ein phantastisch berührender Gedanke 

Das ist ein sehr mächtiger Gedanke. Lassen Sie jede Frau, auch in ihrem eigenen Team, glauben, dass sie nicht nur Sie werden kann, sondern dass sie Sie sogar übertreffen kann. Hinterlassen Sie ein Vermächtnis. Wir müssen etwas hinterlassen. Kennen Sie das Bild, wenn Sie einen Stein ins Wasser werfen? Er bildet Kreise. Werfen Sie also Ihren Stein sehr hart, und die Kreise werden noch lange nach Ihrem Tod weitergehen. Sie hinterlassen die Saat des Erfolgs für die nächste Generation.  

Wir brauchen unsere Generation nicht zu reparieren. Wir müssen den Weg für die Anführerinnen der nächsten Generation ermöglichen. Damit all die Hürden, auf die wir gestoßen sind und noch immer stoßen, von diesen Frauen genommen werden können 

Wie ich schon sagte, habe ich im letzten Monat mit vielen jüngeren Frauen gesprochen und sie sagen mir: „Wissen Sie, wir sind jetzt viel stärker. Und wir würden das Verhalten der Männer nicht akzeptieren, wie es Ihre Generation getan hat.“ Und dann habe ich sie gefragt, ob sie Familie haben. Und in den meisten Fällen haben sie keine. Und sie sind erst seit einigen Jahren berufstätig – UND sie gehören zu einer Art „Elite“ – da wir über gut ausgebildete, städtische Intelligenz sprechen. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit für alle Frauen – leider auch in den jüngeren Generationen. 

Das Wichtigste ist: Die nächste Generation muss wissen, wie sie aufstehen kann, wenn sie fällt. Denn heute sind sie ja alle auf Instagram. Jeder ist dort schön, alles ist großartig. Wenn sie aber das erste Mal fallen, werden sie depressiv, bekommen psychische Probleme, können nicht kommunizieren, werden oft von Hilfssubstanzen abhängig, weil sie keine natürlichen Ausgleichsmöglichkeiten haben.  

 Das ist die Sache: Lernen, wie man aufsteht. Sehen Sie mich an: Ich habe schon so oft versagt. Ich habe so viele Male verloren. Heute gewinne ich. Ich bin eine Gewinnerin.   

Sie haben sehr recht. Besonders Frauen müssen verstehen, dass der Weg zum Erfolg nicht immer gerade ist und nicht immer Perfektion erfordert. 

In meiner Netflix-Episode habe ich erzählt, dass meine Mutter bei meiner Geburt geweint hat (weil Asma die zweite Tochter war). In meiner Kultur ist es eine sehr große Sache, so etwas laut auszusprechen. Und es war ein Albtraum für mich. Aber ich musste es erzählen, damit die Mädchen, die zu Hause begraben sind, die zumindest im übertragenen Sinn zu Boden gedrückt werden, verstehenIch muss mir keine Schikane gefallen lassen, ich sollte AUCH darüber reden, ich muss sogar darüber reden. Ich erzählte diese sehr persönliche Geschichte und es fiel mir wirklich schwer. Aber mir wurde klar, dass ich mit diesem Film eine Chance bekommen hatte. Die Chance, dass jede Frau, die sich den Film anschauen würde, den Mut finden würde, zu fragen: „Warum hast du mich so behandelt? Warum hast du meinem Bruder immer dieses und jenes gegeben und mir nie?“ Wenn Sie hören, dass es jemand anders laut und öffentlich ausspricht – kann ihnen das großen Mut geben 

Und hier sind wir bei den Vorbildern … 

Ja, und genau aus diesem Grund, wollte ich darüber sprechen. Ich habe über die „Second daughters“ gesprochen, über das Lamento meines eigenen Lebens. Aber ich habe auch erzählt, dass genau durch diese Situation mein Wunsch entstanden ist, Erfolg zu haben – statt depressiv zu werden. Ich wollte zeigen: Wenn ihr mich niederdrückt, werde ich aufstehen!  Und dabei ging es nicht um mich, sondern um so viele Frauen in einer ähnlichen Situation. Ich hätte bei Chefstable auch einfach über mein Essen sprechen können, aber nein. Es geht in diesen Episoden natürlich um Essen, aber als ich dem Produktionsteam erklärte, was ich erzählen wollte und warum, waren sie sehr berührt. Ich bat sie, mir eine Chance zu geben: Lassen Sie mich meine Geschichte erzählen: Es ist eine Geschichte für alle, und es ist eine Geschichte über Hoffnung.   

Aber wollen die Zuschauer von „Chef’s Table“ nicht nur etwas über Köch*innen und Essen sehen? 

Ich denke, dass Essen die perfekte Bühne ist, um über solche Geschichten und Themen zu sprechen. Denn Essen bringt nicht nur jeden an den Tisch. Sondern jeder kennt sich mit Essen aus und mag das Thema. So kann man ihnen Frauen-Themen zusammen mit den Essensthemen „servieren“. Das ist leicht „verdaulich“ aber auch emotional. 

 Aus den Reaktionen, die ich bekam, habe ich gelernt, dass Frauen aus den verschiedensten Branchen, aus dem Bankwesen, der Technik und der Medizindasss alle etwas damit anfangen konntenes alle verstehen konnten, weil sie es oft in andere Form selbst erlebt haben. 

Asma Khan in der KücheAsma, Sie reden nicht nur über diese Themen, Sie tun auch etwas. Nur ein kleines Beispiel. Sonntags öffnen Sie Ihr Restaurant für Köchinnen, damit diese ihren eigenen Supper-Club veranstalten können. Bieten Sie das den Köchen Ihres eigenen Teams oder auch Außenstehenden? 

Jeder Frau, die eine Hobbyköchin oder Küchenchefin eines Dinner Clubs ist, und jeder Frau, die einen Traum hat. Erinnern Sie sich, als wir Kinder waren, wenn wir einkaufen gespielt haben? So ist diese Möglichkeit aber für Erwachsenen. Sie kommen und spielen in meinem Restaurant. Es gibt dir Selbstvertrauen, das ist das Wichtigste. Es ist umsonst, und wenn eine Person sehr nervös ist, bin ich für sie da. 

InCover Asma Khan Indian Kitchen Ihrem Buch gibt es einen Teil, in dem Sie darüber schreibendass Frauen sich „Sultan“ nennen sollten? Können Sie das erklären? 

Jeder denkt, dass „Sultan“ ein Mann ist, ein männlicher König. Aber auf Arabisch heißt „Sultan“ nicht „König“. Es bedeutet „Person mit großer Autorität“, also sage ich zu den Frauen: „Nennt euch Sultan! Sag dir selbst, dass du die Autorität bist, nicht nur in der Küche, sondern überall. Was auch immer du tust, du weißt, dass du es am besten kannst. Glaub‘ an dich selbst. Nenn dich Sultan! Es ist wichtig, dass du dich als Sultan siehst.“  

 Mit Asma Khan zu sprechen ist wie sich mit so viel positiver Energie zu füllen – ich verspreche, dass es bei den Culinary Ladies mehr über sie geben wird. 

Hier zu Ihrem Restaurant Darjeeling Express 

Und wer noch mehr als hier über diese charismatische Frau wissen möchte, die ich die Ehre und das Vergnügen hatte, beim St. Moritz Gourmet Festival im Hotel Kulm kennen lernen durfte, kann sich auch ihre Netflix-Folge von Chef’s Table ansehen ( Trailer zur Netflix-Episode mit Asma Khan ).In meinem Interview mit ihr habe ich mich auf Frauenthemen konzentriert 

Ihr Kochbuch, mit ganz köstlich authentischer indischer Küche gibt es im Buchhandel bei Geniallokal oder direkt beim Verlag

Reisplatte mit Hühnchen Asma Khan Bildnachweise: Alle Bilder – Asma Khan, Darjeeling Express