Da gab es doch allen Ernstes schon Menschen, die die beiden Gründerinnen der „Tofutussis“ in Berlin fragten, ob sie mit diesem Namen auf „sex sells“ setzen wollten. Das ist natürlich völliger Quatsch und wer die beiden kennt oder kennenlernt, weiß das sowieso. Ich habe mit Franzi Schaurer über die Entstehung ihrer Tofurei, die sie zusammen mit Elena Grimm betreibt, unter anderem über faden Tofu, eine „Schnapsidee“, aus der eine Marke wird, über Crowdfounding und über Soja aus Bayern gesprochen
Getroffen haben wir uns natürlich in den Berliner Markthalle neun, wo man diesen Stand eigentlich kaum übersehen kann. Weiß auf Türkis leuchtet der Schriftzug „Tofutussis“ – hinter dem zwei Frauen stecken, die so gar nichts „tussihaftes“ an sich haben – aber definitv eine Leidenschaft für Tofu.
Tofu ist ja inzwischen sogar in den Supermärkten angekommen. Er ist als Fleischersatz „in“, aber schmeckt denn Tofu wirklich?
Ich will bestimmt niemanden schlecht machen, aber ich muss doch zugeben, nicht jeder Tofu, den man kaufen kann, schmeckt wirklich. Da gibt es eine wahnsinnige Bandbreite, wovon vieles für mich kaum genießbar ist.
Oder es schmeckt nach gar nichts …
Naja, dass der Tofu als Naturstoff relativ neutral im Geschmack ist, hat ja auch sein Gutes. Aber jeder Naturstoff hat eben auch einen echten Eigengeschmack, aber das wissen leider die wenigsten.
Wie Milch?
Ein bisschen. Die wird heute auch meistens zu Tode pasteurisiert. Aber wenn ich mich an meine Kindheit erinnere und Milch, die ich auf dem Bauernhof getrunken habe … da schmeckte die Milch eben schon nach Milch. Und das ist beim Tofu ganz ähnlich. Deswegen kann ich es sogar verstehen, dass es Kunden gibt, die am Stand vorbeilaufen und schon das Gesicht verziehen, wenn sie nur das Wort „Tofu“ lesen. Aber die haben wahrscheinlich einen Tofu probiert, bei dem ich auch alle Lust darauf verlieren würde.
Aber wie seid ihr denn dann darauf gekommen, dass das auch ganz anders geht?
Elena und ich kannten uns aus einem Sportverein und haben zusammen das große Asiacenter hier in Berlin besucht und dort Tofu probiert. Und wir waren total begeistert, haben aber auch nicht wirklich herausgefunden, woher die Soja-Bohnen kommen und wo der gemacht wird. Es hieß nur: Das ist frischer Tofu. Dann haben wir gesucht, wo man den kaufen kann, aber außer in ein paar kleinen Asia-Läden sind wir nicht fündig geworden. Also haben wir recherchiert, wie man Tofu vielleicht selbst herstellen kann. Denn außer dass er aus Sojabohnen hergestellt wird, hatten wir ja keine Ahnung.
Und der Selbstversuch hat gleich geklaptt?
Kann man so nicht sagen (sie lacht) Wir haben viel ausprobiert und sehr viel ganz schrecklichen Tofu hergestellt, bis wir endlich ein Rezept gefunden haben, mit dem es auch klappt.
Könnt ihr das verraten?
Klar, ist ja kein Geheimnis. (sie grinst) Wir geben ja sogar Workshops dazu: Wie bei allen Hülsenfrüchten muss man die Sojabohnen erstmal einweichen, mit Wasser pürieren, dann durch ein Tuch oder feines Sieb pressen und dann hat man schon mal Soja-Milch. Was dann kommt, ist ganz ähnlich wie Käse machen. Du musst die Sojamilch erhitzen und dabei einGerinnungsmittel dazugeben. Dann trennt sich Quark und Molke voneinander. Den Quark schöpft man ab und presst ihn dann zu Tofu. Fertig.
Wobei Euer Tofu natürlich auch in ganz unterschiedlichen Geschmäckern daherkommen, dazu später nochmal. Wichtig ist aber natürlich auch die Frage: Woher kommt Euer Soja?
Wir verwenden ausschließlich deutsche Bohnen von einem Händler in München, der wiederum ein tolles Projekt hat, das sich „Bohne sucht Bauer“ nennt. Er sucht gezielt Biobauern, die Soja anpflanzen. Die meisten kommen aus der Gegend rund um München aber auch ein kleiner Teil aus Thüringen und Sachsen. Wir haben auch schon Brandenburger Ware ausprobiert, aber die Sojaböhnchen mögen das Klima da nicht so gerne. Unsere Sojabohnen haben mit fast 44 Prozent einen sehr hohen Eiweißgehalt und wenn der aufgrund des Klimas niedriger liegt, haben wir weniger Ertrag. Als kleine Tofurei muss man da schon rechnen und daher bleiben wir vorläufig bei den süddeutschen Bohnen.
Ihr kommt ja beide nicht aus dem Food-Bereich, Du bist Heilerziehungspflegerin, Elena Sozialarbeiterin. Habt ihr die Tofutussis denn von Anfang an hauptberuflich gemacht?
Nein, natürlich nicht. Wir haben uns erst mal ausprobiert und eigentlich nur, weil sich die Produktion für ein kleines Stück nicht lohnt, die größeren Mengen im Freundeskreis verteilt. Und eigentlich haben uns diese Freunde dann auf die Idee gebracht, damit Geld zu verdienen. Am Anfang haben wir immer noch gedacht, wir könnten das locker nebenberuflich machen. Elena kam damals mit weniger Stunden gerade aus der Elternzeit zurück und ich hatte auch nur eine 20 Stunden Stelle. Wir haben dann aber relativ schnell gemerkt, dass wir so zweigleisig schnell beide bei einer 60-Stunden-Woche sind und dass wir uns also entscheiden mussten.
Ihr habt dann auch eine Crowd–Founding-Kampagne gestartet?
Das war so unser Startschuss für die Hauptberuflichkeit. Wir haben mit den Tofutussis im Juli 2014 angefangen. Im Dezember haben wir dann festgestellt, dass unsere Mietküche zu eng ist. Und im Januar 2015 haben wir das Crowdfounding gestartet und beschlossen: Ok , das machen wir jetzt noch und dann steigen wir beide hauptberuflich ein.
Was habt ihr im Crowdfounding als Gegenleistung angeboten?
10er Karten und 5er Karten Tofu und unsere Taschen. Aber wir haben auch nach Sponsoren gesucht. Zum Beispiel haben wir Omniblend angeschrieben, ob sie uns einen Mixer günstiger geben würden. Wir haben bei einer Druckerei angefragt, ob sie uns beim T-Shirt- und Taschendruck unterstützen würden. Oder wir haben auch mit einer befreundeten Tötowiererin gesprochen und so beim Crowdfounding ein Tofu-Tatoo angeboten. Insgesamt haben wir so 12.000 Euro zusammen bekommen.
12000 Euro klingt natürlich toll, aber davon gehen ja auch noch die Unkosten ab.
Ja, aber wir hatten ausgerechnet, was wir brauchen, um unsere Küche auszubauen. Es war uns klar, dass wir uns keine fertige neue Küche würden leisten können. Und während der Crowdfounding Phase hat es sich dann auch ergeben, dass wir hier in der Markthalle neun einen Stand bekommen haben. Damit war aber auch klar, dass die Küche ein Kellerraum wird. Das haben wir dann alles selbst eingebaut.
Habt Ihr das Crowdfounding auch als Test gesehen, ob die Idee wirklich funktioniert?
Ein bisschen. Aber wir haben auch wirklich lange mit uns gehadert, bis wir gesagt haben: „OK, das machen wir jetzt.“ Dabei hat uns auch motiviert, dass wir zur zweit sind. So muss man nicht alleine rumkrebsen und kann sich auch gegenseitig motivieren. Also haben wir dann schließlich einfach gemacht.
Ihr habt inzwischen ein ganzes Tofusortiment mit verschiedenen Geschmacksrichtungen, weitere Sojasnacks und auch – drinks und auch eure Burger. Was hälst Du denn von Produkten, die Fleisch „nachmachen“ wie z.B. Tofu-Würstchen?
Ach, da denke ich: der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Da kann man ihn doch bei seinen Gewohnheiten lassen. Das meiste Fleisch schmeckt ohne Würze auch nach sehr wenig und beim Tofu muss man natürlich immer würzen. Aber die äußere Form ist doch egal Wir machen da schon ein bisschen Aufklärungsarbeit bei uns am Stand und in den Workshops.
Kann man denn für Tofu alle Gewürze nehmen?
Wir sagen immer: „Nehm die Gewürze, die du magst und die du normalerweise auch fürs Fleisch nimmst.“ Wir haben hier in der Halle ja auch einen großen Pool an Lebensmittelhandwerk und gehen auch mal zu den Fleischkollegen um nach ihren Würzrezepten zu fragen. So ist auch unsere Stadtjägerin entstanden. Da sind ähnliche Gewürze drin wie bei den bekannten Landjägern, aber eben Tofu statt Fleisch. Und im Sommer, wenn wir eine kleine Produktionspause machen, kaufen wir übrigens auch fremdproduzierte Tofuwürstchen zu. Aber die haben wir sorgfältig ausgesucht und sie sind echt lecker. Schlimm finde ich nur, dass bei vielen fertigen Fleischersatz-Produkten leider Geschmacksverstärker ins Spiel kommen.
Nochmal zurück zur Entstehungsgeschichte. Wer ist denn auf „Tofutussis“ gekommen?
Ach eigentlich war das nur so eine Schnapsidee und unser Projektname. Aber irgendwie ist es dabei geblieben. Und es steckt auch ein bisschen Selbstironie dahinter und das ist ganz gut so. Wenn man sich selbst zu ernst nimmt, ist das nie gut.
Würdet ihr rückblickend irgendetwas anders machen?
Hmm, vielleicht mal ein einer Stelle eine andere Abzweigung nehmen. Aber eigentlich fällt mir nichts ein. Ich sage auch nicht, dass wir nicht manchmal gerne ein bisschen mehr Freizeit hätten, aber die Arbeit macht uns Spaß, und dann darf man auch mal ein bisschen kaputt nach Hause kommen. Ich bin ein totaler Verfechter davon, dass Arbeit Spaß machen muss. Denn wenn nicht, färbt sich das auch auf alle anderen Lebens-Bereiche ab. Und das Schöne an der Selbstständigkeit ist auch, dass man sich ein bisschen selbst verwirklichen kann, eigene Ideen umsetzen.
Wollt ihr noch wachsen?
Vielleicht ein bisschen aus der direkten Region rausgehen. Und uns auch in Berlin noch ein bisschen ausbreiten. Vielleicht auch irgendwann eine größere Küche. Aber alles schön langsam. Wir merken ja jetzt schon, dass es schwierig wird, zu kommunizieren, was einem wichtig ist, wenn man nicht selbst von Montag bis Samstag den ganzen Tag am Stand stehen kann. Da geht es oft um kleine aber feine Details. Elena hat ja auch Kinder, und selbst wenn sich Kita-Tage planen lassen, bei Krankheiten wird es schwierig. Das wir dass aber hinbekommen müssen, war uns von Anfang an klar. Und wie schon gesagt, es soll ja auch noch Spaß machen.
Ich danke für dieses Gespräch und weil ich vor lauter Interview ganz vergessen habe, mir von dem leckeren Tofu selbst was mitzunehmen – habe ich jetzt einen wunderbaren Grund, bei den Tofutussis beim nächsten Berlin Besuch wieder vorbei zu schauen.
Zumindest online kann man die Tofutussis schon mal hier besuchen.
Bildnachweise: beide Portrats: Tofutussis, Berlin, alle anderen: Stephanie Bräuer