Tina Pfaffmann – Herz, Strahlkraft, Wein

Tina Pfaffmann / Culinary Ladies

Tina Pfaffmann ist Winzerin – und das von ganzem Herzen und „zu aller erst“. Ihr persönlicher Instagram Hashtag lautet #glücklicheswinzerinnenherz und genau das strahlt sie aus: Sie nutzt jeden glücklichen Moment in ihrem Leben aus vollen Zügen. Nicht mit einem Dauergrinsen, sondern mit einer inneren Energie und Lebensfreude, die einfach ansteckend ist. Das merkt man auch in ihrer Podcast-Episode von Radio Cula. Hier das gesamte spannende Interview mit ihr. Für alle, die das Gespräch nochmal nachlesen möchten (mit ein paar Extras) – oder den Podcast womöglich noch nicht gehört haben (wie kann das sein?).

Wir sprechen natürlich ein bisschen über ihre Weine, aber auch darüber, warum Tina auf ihre Weintanks Gedichte schreibt und Herzchen mit Lippenstift malt. Sie erzählt uns, woher sie ihre Strahlkraft nimmt und damit einen Augeninfarkt, als sie gerade mal 30 war, aber auch die Corona-Krise relativ gut bewältigen konnte. Sie spricht darüber, wie wichtig Marketing ist, warum „Marketing aus Versehen“ aus dem Bauch kommt und warum „Bio“ für sie keine Masche sondern eine Schritt-für-Schritt-Entwicklung mit viel Respekt vor der Natur ist.

Aber fangen wir mit dem Anfang an. Kleiner Tipp: Das Interview ist natürlich richtig lang – aber ich konnte mich einfach von keiner Aussage trennen. Nehmt doch die Fragen als Themen – und sucht Euch aus, was Euch am meisten interessiert :-).

Stephanie Bräuer: Du bist ja quasi in das Weinthema hineingeboren worden?

Tina Pfaffmann: Stimmt. Mein Papa war oder besser gesagt ist Winzer. Und ich habe noch eine drei Jahre ältere Schwester. Die hat durch mich einen Winzer kennengelernt, den auch geheiratet, drei wunderbare Kinder auf die Welt gebracht und ist jetzt quasi auch Winzerin. Also eingeheiratet, auch wenn sie es nie wollte. (sie lacht)

Aber da ich ja nie einen Winzer haben wollte, war das nicht mein Weg. Also ja, ich bin da reingeboren worden und bin echt froh darum. Denn ich möchte nichts anderes machen. Und ich bin absolut überzeugt davon, dass es auch genauso kommen musste.

SB: Und Du hattest von Anfang an den ausdrücklichen Wunsch oder war es auch Wunsch deiner Eltern?

TP: Ganz im Gegenteil. Meine Eltern wollten eigentlich, dass ich was Solides lerne, wie Industrie- oder Bürokauffrau. Mit zwei Mädchen wurde, wie das früher so war, der Betrieb eben auch nicht weiterentwickelt. Als ich aber darauf bestanden habe, musste ich ihnen wenigstens versprechen, mein Abi nachzuholen und dann den Studiengang zum Weinbau zu machen. Dass ich das nicht gemacht habe, ist ja eh klar, oder? (sie grinst)

SB: Na es lief ja auch so ganz gut. Du hast den Betrieb weiterentwickelt und auch erweitert. Übernommen hast Du 15 Hektar. Wie viel hast du jetzt?

TP: Jetzt sind es 31! Aber diese 15 Hektar hatte ich bis vor zwei Jahren. Ich habe aber schon immer sehr viele Trauben zugekauft. Und dann hat sich familiär jemand von dem Beruf verabschiedet und ich habe dessen 15 Hektar auf einmal mit dazu genommen. Also das ist schon eine Hausnummer, sich zu verdoppeln.

SB: Und das ohne zu wissen, dass Corona ziemlich kurz danach zugeschlagen hat.

TP: Ja, das hat vor allem eine Rolle gespielt, weil wir eigentlich auch das Weingut neu aufbauen wollten, der Größe anpassen. Das haben wir dann erst einmal abgesagt. Denn damit hätten wir uns psychisch viel zu sehr unter Druck gesetzt in Zeiten, in denen du nicht weißt, wie es weiter geht, ob es überhaupt weiter geht. Deswegen haben wir gesagt:

„Nur wenn wir lachen, machen wir das.“

Und in den Monaten des Lockdowns haben wir ja alle nicht so viel gelacht und unser Bauvorhaben erst einmal abgesagt. Und jetzt warten wir, was kommt und wenn alles gut läuft, starten wir in zwei Jahren durch.

SB: Corona ist noch immer nicht vorbei, aber wir hoffen ja alle, dass es nicht noch einmal zu denselben Maßnahmen kommen muss, die die ganze Branche gebeutelt haben. Du hast in dieser Zeit trotzdem immer ein strahlendes Gesicht gezeigt. Aber darüber haben wir uns ja schon mal unterhalten: Man lacht nach außen, aber das heißt nicht, dass man sich innen ständig auf die Schenkel klopft. Was hat Corona für dich bedeutet?

TP: Corona war von Anfang an bei mir leider sehr präsent. Wir sind ja stark auf die Gastronomie als Kunden ausgerichtet. Daher ging beim ersten Lockdown von heute auf morgen keine Flasche mehr raus. Das war echt eine harte Nummer. Dann war ich selbst noch betroffen, war einer der allerersten Fälle, die es überhaupt gab. Ich stand da also gesundheitlich, psychisch und finanziell so ein bisschen am Abgrund.

SB: Du hattest selbst Corona?

TP:  Ja, und das nimmt dich natürlich psychisch dann auch extrem mit, auch weil du Angst hast, jemanden anzustecken. Und was die dann auch am Anfang mit dir gemacht haben: Gesundheitsamt, Ärzte, die wussten ja alle nicht, was wirklich los ist. Das war schon nicht ganz so witzig, auch wenn die Symptome bei mir nur die einer Grippe waren. Aber für mich war das Schlimmste damals tatsächlich, dass die ProWein (schon 2020) abgesagt wurde (größte jährliche Weinmesse). Dass ich nicht nach draußen meinen Jahrgang präsentieren durfte. Ich lebe ja auch von den Geschichten zu mir und meinen Weinen. Was ich mache und warum ich es mache und warum ich es so liebe. Für mich geht es bei einer Messe wie der ProWein gar nicht darum, ob ich viel verkaufe. Sondern darum, dass ich die Leute erreiche. Und dass sie mir Feedback geben. Und dass ich von der ProWein zurückkomme und sage: „Das wird ein geiles Jahr.“ Denn was ich aus den Gesprächen dort mache, liegt ja an mir.

Aber das war plötzlich weg. Dann mussten wir uns viele Gedanken machen, was wir unternehmen könnten, um liquide zu bleiben.

Also haben wir hier alles auf den Kopf gestellt, haben den Betrieb innerhalb von drei Monaten komplett umgedreht. Wir haben Adressen gekauft, wir haben Mailings geschickt und wir haben Gutsausschank gemacht. Und wir haben gut verkauft. Was dann natürlich auch wieder eine Geschichte ist, die mich froh und stolz macht.

Und ich weiß jetzt schon: Von all diesen Anstrengungen werden wir auch profitieren, wenn es wieder „normal“ läuft. Aber es ist halt saumäßig anstrengend, mühsam und du musst immer aufpassen, dass du nicht in dieses schwarze Loch fällst. Gerade im zweiten Lockdown, der sich doch ganz schön hingezogen hat.

SB: Gerade ist die Situation ja schon wieder schwierig. Ich drücke Dir die Daumen, dass Ihr wieder so gut umschalten könnt. Ganz sicher werden immer mehr Menschen Deine Weine lieben. Deswegen jetzt mal zu ihnen: Du sagst immer, dass du dich selbst in deinem Wein ausdrückst. Dass du eigensinnig, fröhlich und voller Lebensfreude bist. Und so soll auch dein Wein sein. Erklär doch mal einer Laiin, wie ein Wein ist, der eigensinnig, fröhlich und voller Lebensfreude ist.

TP: Der schmeckt einfach! Weißt Du, ich bin sehr froh, dass ich mich mittlerweile mit Wein auf einem sehr hoch qualifizierten fachlichen Niveau auseinandersetzen kann. Entweder mit Kollegen oder auch mit dem Wein alleine. Ich bin aber auch verdammt froh, dass ich mich manchmal auch nur  hinsetzen kann und einfach mal nur trinken kann!

SB: Du kannst also komplett abschalten und den Wein nur genießen?

TP: Ja, denn genau darum geht es letztendlich. Die meiste Zeit soll Wein ja eigentlich nur ein Begleiter sein, soll dir Freude machen, dir schmecken und du sollst einen schönen Abend mit ihm haben. Und dich mit Leuten umgeben, die lachen. Du solltest einfach mit dem Wein eine glückliche Verbindung eingehen.  Viele Menschen haben das leider vergessen. Die stehen ständig unter Druck und sind dann auch abends komplett angespannt. Da kann so eine Flasche Wein, ganz ehrlich, extremst helfen. Er macht einfach locker. Ich rede natürlich nicht davon, sich zu betrinken, sondern davon, bei einem Glas Wein zu entspannen. Und dafür kannst du nicht mit dem großen Gewächs kommen. Das ist viel zu kompliziert. Es müssen Weine sein, die leichtfüßig, die fröhlich sind. Und die trotzdem das Potenzial haben, große Weine zu werden. Weine, bei denen die Leute schmecken, dass da etwas Besonderes passiert.  Und ich glaube, das habe ich in den letzten Jahren ganz gut hinbekommen.

SB: Du sagst, dass Wein Spaß machen muss. Dass die Qualität dahinter natürlich trotzdem wichtig ist. Aber es gibt doch sicher auch Weine, die dem Laien auf den ersten Blick einfach schmecken – bei denen man aber nicht gerade von Qualität sprechen kann. Also wenn ich überlege, was ich so Anfang 20 an Rotweinen getrunken  habe – Lambrusco aus dem Bastmantel zum Beispiel. Die haben schon geschmeckt, was ich halt damals so unter Geschmack verstanden habe. Süß!

TP: Gut, den habe ich jetzt tatsächlich nie getrunken, weil ich ja schon damals in der Weinbranche war.

SB: Also ich schon. (lacht) Am nächsten Tag kam dann das Kopfweh, aber das haben wir eher auf die Tatsache geschoben, DASS wir Alkohol getrunken hatten, weniger welchen. Heute bin ich schlauer. Aber was ich wirklich mag an Deiner Einstellung ist, dass dir das „Gut Schmecken“ so wichtig ist.

Ich glaube manchmal beschäftigen sich Fachleute – und sogenannte Fachleute – ein bisschen zu differenziert mit dem Thema Wein. Wie dann darüber gesprochen wird, schreckt viele Leute ab. Sie haben keine Lust, sich damit auseinander zu setzen, weil sie denken: „Um Gottes willen, da muss ich jetzt irgendwas sagen wie „der schmeckt wie das Pferd unter dem Sattel nach einem drei-Stunden-Ritt. Und da kommt dann noch die Note von Kastanie dazu. Und im Abgang spüre ich dann noch ein bisschen Pumpernickel.“

TP: Stimmt. (lacht) Bei mir selbst ist das ja auch jeden Abend anders. Also wir trinken zu Hause wirklich sehr viel Wein, Heiko und ich. Gott sei Dank. Denn wir machen das ja aus Lebensfreude und nicht aus Frustbekämpfung. Und da gibt es viele Tage, an denen ich sage: „Hol mir bitte irgendwie einen Basiswein“, natürlich gerne von Winzer-KollegInnen, aber eben nichts Großes. Oder beispielsweise zum Kochen, also kein Kochwein, sondern der, den ich zum Kochen trinke, da brauche ich jetzt kein großes Gewächs, mit dem ich mich auseinandersetzen möchte. Das mag ich dann, wenn ich gemütlich im Sessel sitze und für mich bin. Denn solche Weine probiere ich gerne für mich selbst. Oder einfach mit Leuten, die auf dem gleichen Level sind – und das meine ich gar nicht herablassend. Aber in einer lockeren Runde oder auch einer großen Veranstaltung finde ich es auch extrem spannend, wenn du die Leute mit einem leckeren Wein, und ich sage jetzt bewusst lecker, wenn du sie damit perfekt abholen kannst. Und sie einfach nur den Abend dahin schwelgen und genießen können. Das schaffst du am besten mit Basisweinen, die aber qualitativ trotzdem hochwertig sind.

SB: Kommen wir mal zu Deinen Weinen. Die meisten davon heißen ja Riesling oder Weißburgunder oder Grauburgunder mit einem. Dann gibt es den Oberen Affolter, der einfach nach einer kleinen, sehr, sehr kleinen Parzelle benannt ist, auf der die Trauben wachsen, die du für ihn verwendest.

Aber du hast beispielsweise auch das Herzglück. Erzähl uns davon.

TP: Der Herzglück ist auch ein Wein, der erst einmal eher so ein bisschen leicht daher kommt. Und trotzdem merkt man da ganz viel Potenzial. Und wenn du den dann ein paar Jahre später nochmal trinkst, bist du oftmals echt erstaunt, was da dann dahinter steckt und was sich da entwickelt hat.

SB: Insofern passt er ja tatsächlich auch super zu Hochzeiten. Erst ganz leicht und nach ein paar Jahren ist man erstaunt, was dabei rauskommt. (lacht)

TP: Genau. Ja, das ist sehr gut. Das werde ich mir merken.

Beim Herzglück ist die Geschichte aber wirklich so abgelaufen. Ich verbringe tatsächlich viele, viele Stunden im Keller mit meinen Weinen. Das brauche ich. Um sie durchzuprobieren. Manchmal mache ich dort auch einfach nur mal in Ruhe meine Arbeit, gerade in der hektischen Erntezeit. Ich bin ja ein sehr früher Frühaufsteher,  (lacht) sprich ich bin morgens um vier schon parat. Und brauche dann die ersten zwei, drei Stunden, bis meine Leute kommen, damit ich einfach in diesen stressigen und aufregenden Wochen der Ernte auch Energie spenden kann. Denn das ist für jeden Knochenarbeit, nicht nur für mich. Deswegen ist es gut, wenn die Leute kommen und ich schon mal mit einem Lachen im Gesicht „Guten Morgen“ sagen kann.

Ich muss aber auch mal Ruhe in den Keller bringen, damit die Weine ihre Arbeit ohne Stress machen können. Da ist auch Musik ganz wichtig. Und meine ganz persönliche Nähe zu meinen Weinen selbst, die ja in dieser Phase tatsächlich lebendig sind.

SB: Inwiefern sind die Weine dann lebendig?

TP: Naja, im Gärungsprozess arbeiten ja Hefezellen. Und das sind Lebewesen. Die musst du hegen, musst sie pflegen, musst mit ihnen sprechen, du musst sie auch begutachten oder auch mal hätscheln. Und ihnen einfach eine kleine Freude machen. Das mache ich mit Sprüchen oder mit Herzen – die ich auf die Fässer schreibe und male. Und in einem Jahr hatte ich tatsächlich dieses Statement von Charlie Chaplin zu seinem 70. Geburtstag. Kennst du das? „Dich selbst lieben lernen.“ Da gibt es zwölf oder 13 verschiedene Absätze. Dieses Gedicht (siehe unten) war damals sehr passend für mich. Denn nachdem ich mit 30 Jahren einen Schlaganfall hatte, habe ich mich selbst nochmal entdeckt. Wenn Du so etwas erlebst, dann setzt Du dich noch einmal mit Dir auseinander.

Aber das kennst Du doch auch. Es gibt Lieder, die dich berühren, oder Geschichten oder Bücher, aus denen du einfach ein Zitat rausholen kannst, das dir besonders am Herzen liegt in diesem Jahr. Mir geht das so, und oft passt so ein Spruch dann auch zu einem ganz bestimmten Tank oder Wein – und den schreibe ich dann auf den Tank. Und wenn ich den Wein dann probiere, dann denke ich immer daran, mit Freude.

SB: Du hast bei einer Weinprobe auch mal erzählt, dass du auch Herzen darauf malst mit Lippenstift.

TP: Genau ja, tatsächlich.

SB: Und das merkt der Wein?

TP: Ja, natürlich merkt das der Wein. Ich habe mit Smilies angefangen. Und dann irgendwann mit Herzen weiter gemacht – mit Lippenstift. Dass der Wein dann wirklich gerade an diesem Tag wieder angefangen hat zu gären, kann natürlich Zufall gewesen sein. Ich selbst glaube aber nicht an Zufälle. Deswegen hat es mich so berührt, dass ich damit weitermache. Und wenn Leute in meinen Keller kommen und die Sprüche sehen, fotografieren und filmen sie sie und finden das ganz großartig. Und ich persönlich finde es auch ganz großartig. Ich finde es eine ganz tolle Macke, weil ich tatsächlich auch eine Verbindung zu meinen Weinen habe. Und deswegen auch so bin, wie ich bin, glaube ich. Das ist einfach so. (lacht)

SB: Du hast es gerade selbst erwähnt, daher möchte ich doch nachfragen. Du hattest mit 30 einen Schlaganfall.

TP: Ja, also genauer gesagt einen Augeninfarkt, so einen kleinen. Und ich bin seitdem zu 80 Prozent blind auf dem rechten Auge. Und die 20 Prozent, die ich noch habe, sind beschattet mit schwarzen Punkten. Also kann es durchaus sein, dass ich dich nicht sehe, wenn ich in einen Raum komme und du rechts von mir sitzt. Das hat mir damals schwer zu schaffen gemacht. Ich musste auch ziemlich lange in der Uniklinik liegen. Aber mittlerweile gehört das zu mir. Und es ist ein gutes Warnsignal für mich: Wenn ich merke, dass ich noch schlechter sehe, weiß ich, dass ich einfach mal wieder runter kommen muss. Das muss nicht der große Urlaub sein, manchmal reicht einfach eine Stunde, ein Rückzug im Keller. Da bin ich dann trotzdem für meine Weine da.

Aber es ist so wichtig, sich auch mit sich selbst zu befassen. Dass man auch mit sich im Reinen ist, mit dem, was man tut, dass man da Spaß dran hat. Und deswegen bin ich auch, glaube ich, anders als viele Winzer. Ich hatte auch im Sommer ein tolles Erlebnis bei uns im Gutsausschank. Da hatten wir einen Musiker da. Und der liebt Riesling-Schorle wie wir alle. Wir sind ja Pfälzer. An dem Tag war aber eine Bullenhitze. Also hab‘ ich ihm einfach Eiswürfel in diese Riesling-Schorle geschüttet. Er war total perplex, das hat er ja noch nie erlebt, einen Winzer, der freiwillig Eiswürfel in die Schorle gibt. Ich habe ihm nur gesagt: Du, es soll doch schmecken. Du sollst doch Spaß und Freude daran haben. So what? Was soll‘s? Also es ist ja kein großes Gewächs. Es ist eine Riesling-Schorle. Du kannst von mir aus so viele Eiswürfel haben, wie du willst.“ Und ich finde, der Wein hat genau diese Leichtigkeit verdient. Der muss ja nicht immer hochkarätig behandelt werden. Wer will das schon?

SB: Neues Thema: Sprechen wir über Marketing. Du machst Events mit Thomas Gottschalk, gemeinsame Weine mit Cornelia Poletto, es gibt Tina Pfaffmann T-Shirts: Wie wichtig ist Marketing und die eigene Persönlichkeit, wenn man Erfolg haben will als Winzerin?

TP: Das ist eine gute Frage. Ich hatte gerade gestern so eine tolle Erfahrung. Gestern war ich Prüferin für die Auszubildenden, die ja gerade ihre Zwischenprüfung ablegen. Und tatsächlich wollte die Hälfte von diesen Azubis, die jetzt so Anfang, Mitte 20 sind, ein Autogramm von mir. (lacht) Und sie haben gesagt: „Ja und ich möchte auch mehr Marketing und solche Veranstaltung machen, so wie Sie, Frau Pfaffmann“. Darauf habe ich geantwortet: „Ich mache meine Arbeit.“ Denn als allererstes bin ich immer noch Winzerin. Sonst könnte ich all diese Geschichten nicht so nach außen tragen. Und alles, was bei uns in die Kategorie Marketing fällt, wie zum Beispiel auch das große T, das gibt es so schon seit 20 Jahren, wir haben es nur modernisiert. Aber vor allem waren es immer Themen, Designs, in denen ich mich gesehen habe, mit denen ich mich wohl fühle. Bei denen ich aber auch immer anders sein wollte als alle anderen. Das ist mir damals auch gelungen. Mittlerweile haben ja viele einen großen Buchstaben auf dem Etikett.  Marketing macht mein Mann Heiko. Er gibt auch Geld aus für Werbung auf allen Kanälen. Das braucht man auch. Das, was ich mit Veranstaltungen mache, da folge ich einfach meinem Gefühl. Das ist meine Arbeit, die ich sehr, sehr liebe und die ich deswegen gerne nach außen trage.

Ich erzähle gerne davon, weil die meisten Leute einfach nicht wissen, was es wirklich bedeutet, Wein zu machen. Oder mit der Natur zu arbeiten. Denn darum geht es. Dass die Leute die Natur wieder mehr verstehen, wie man auf sie eingehen muss.

Und dann bin ich natürlich auch gerne unter Leuten, die genießen. Und die gerne essen und gerne kochen und gerne Wein trinken natürlich. Das sind immer sehr, sehr schöne Runden. Ich fühle mich da meistens einfach nur pudelwohl. Das ist also Marketing aus Versehen, sage ich jetzt mal.

SB: Und Thomas Gottschalk war auch kein Marketing-Gag, sondern hat sich durch dein Engagement für die Kinderkrebsklinik in Freiburg ergeben.

TP: Ja. Das war tatsächlich eine große Spende für die Kinderkrebsklinik in Freiburg. Und deswegen kam Thomas ja auch schon zum zweiten Mal. Ich hatte mir irgendwann überlegt: „Ich habe so klein angefangen, hatte rote Zahlen auf dem Konto. Und bin jetzt so dankbar, wie es mir geht. Auch wenn es jetzt gerade ein bisschen schwierig ist. Ich habe selbst keine Kinder und wenn jeder so ein bisschen was abgibt, dann können wir so viel Gutes tun. Natürlich kannst du nicht die Welt retten. Das ist einfach ein Projekt, das mich sehr berührt hat. Und bei dem ich weiß, wer dahinter steckt. Es ist Werner Kimmig, ein sehr alter Freund von mir. Und da weiß ich, wo das Geld hin kommt. Aber ganz ehrlich, ich hätte jetzt so eine große Spende auch niemals gemacht, wenn mein Mann nicht hinter mir gestanden hätte. Dass wir uns tatsächlich im Marketing so gesteigert haben, das ist natürlich der Heiko. Das ist sein Business.

SB: Dein Mann ist fürs Marketing bei euch zuständig. Dabei hatte er, als Ihr Euch kennen gelernt habt, gar nichts mit Wein zu tun. Wie seid ihr zusammengekommen?

TP: Wir haben uns tatsächlich trotzdem über den Wein kennengelernt, aber bei befreundeten Kollegen in deren Vinothek. Als wir uns kennengelernt haben war er aber noch in der Radiobranche als Geschäftsführer von zwei Radiosendern tätig. Allerdings: Als ich zum ersten Mal zu ihm in die Wohnung kam, stand ein großer Klimaschrank mitten in der Wohnung. Da war natürlich klar, dass er dem Thema Wein verbunden war.

SB: Wenn er heute Marketing macht, was bedeutet das? ER entwirft die T-Shirts mit dem großen T?

TP: Nein, die entwerfen wir zusammen. Aber er ist derjenige, der sagt: „Sowas kaufen die Leute“, wenn ich denke: „Wer soll sich denn bitte ein T-Shirt kaufen, auf dem Tina Pfaffmann seht?“ Und wer hatte recht? Er hatte recht. Er hat da einfach das Händchen dafür, was wirklich Sinn macht. Mein Winzerherz denkt ja immer mit der Natur. Wir Winzer müssen immer unser Petto-Geld auf der Seite haben, wenn irgendetwas passiert, Hitze, Kälte, Hagel. Und es ist für uns undenkbar, mehrere 1000 Euro für Marketing, Werbung oder irgendwas auszugeben. Aber Heiko hat bei dem Thema eben diese Leichtigkeit, weil er ein ganz anderes anderes Denken hat als ich. Der macht sich keine Gedanken drum, was jetzt in der Natur passiert, sondern er sagt: „Hier, wer jetzt schläft, Corona abwartet und keine Werbung macht und stattdessen einspart, der macht es falsch.“ Und er hat recht.

Und natürlich kennt er sich auch mit dem Thema Mediadaten und Mediacontrolling aus. Damit habe ich mich nie befasst. Und er kümmert sich um alle internationalen Themen. Da kann ich dann auch mal sagen: „Mach du das. Das ist mir echt zu heikel.“ Das ist einfach eine riesen, riesengroße Unterstützung und macht natürlich auch Spaß.

Was toll ist, ist, dass wir, gerade auch wenn es um Veranstaltungen geht, immer auf einer Wellenlänge sind. Also Veranstaltungen mit Heiko zu planen ist einfach großartig. Das macht so Spaß, das hat man bei Gottschalk auch gesehen. Und wenn Thomas Gottschalk vom Hof geht und sagt: „Ich komme wieder!“ und mich vom Auto aus nochmal anruft, um mir zu sagen, was für ein toller Abend es war, dann weißt du, du hast alles richtig gemacht.

SB: Du hast ein Thema vorher kurz angesprochen, das ich auch sehr interessant finde. Es sprechen ja viele von Bio. Du arbeitest auch Bio, aber nicht zertifiziert. Erzähl.

TP: Ich finde es ganz schwierig. Manchmal habe ich das Gefühl, dass viele auf diese Biomasche einfach aufspringen, weil es marketingtechnisch gerade nicht mehr wegzudenken ist. Ich sehe aber auch, wie dann mit den Weinbergen umgegangen wird, nur um dieses Biosiegel zu bekommen. Wenn von jetzt auf gleich auf Bio umgestellt wird und du dann die Weinberge siehst, da könntest du heulen. Die leiden extrem darunter. Deswegen haben wir das gar nicht kommuniziert, sondern haben einfach jedes Jahr ein bisschen mehr Bio gemacht. Immer nur das, bei dem ich auch die Erfahrung gemacht habe, was ich machen muss. Und wie viel ich gelernt habe, habe ich gemerkt, als ich die 15 Hektar übernommen habe. Damals habe ich gesagt: „Ich brauche drei Jahre, bis die auch dieses Strahlen haben.“ So lange haben sie nicht gebraucht. Sie haben schon im ersten Jahr richtig aufgeatmet.

Sagen wir einfach: Ich habe ein sehr gutes Gefühl, wenn ich draußen in meinen Weinbergen bin. Weil ich glaube, ich gebe ihnen das, was sie brauchen, was ihnen gut tut. Und ich muss kein Kupfer spritzen, was ich beim Bioanbau wirklich sehr kritisiere. Schwermetall kann nicht gesund sein. Und die gesamte Bürokratie, die dahintersteckt, verstehe ich auch überhaupt nicht. Wenn mir ein Berater, der 30 Kilometer weiter weg im Büro sitzt, sagen möchte, was für meine Weinberge gut ist! Ich glaube, dann würde ich echt bitterböse werden.

Ich finde es auch eigentlich schön, dass mir die Menschen da vertrauen, dass sie es vielleicht auch spüren, weil es ihnen gut geht nach den Weinen. Und zwar nicht wegen irgendeines Siegels. Ich möchte diese Marketingstrategie gar nicht einschlagen. Mir ist es lieber, dass sich die Leute damit auseinandersetzen, was ich ihnen vermitteln möchte: wie man mit der Natur umgeht. Und es ist mir wichtig, dass die Weinberge strahlen. Meinen sieht man das an. Ich lerne jedes Jahr ein bisschen mehr und es macht Spaß: Und es ist wirklich sehr, sehr schön, dass mir da keiner reinredet. Da bin ich halt eine Frau. (lacht)

SB: Mal jetzt abgesehen davon, dass natürlich dein dringendster Wunsch einfach der ist, dass wieder eine gewisse Normalität einkehrt. Hast du denn noch so einen Traum mit deinem Wein?

TP: Ja, den Bau, den wir absagen mussten, möchte ich schon gerne machen. Das ist ein großer Traum von mir, weil unser Weingut sehr, sehr klein ist. Ich habe als junge Frau mit zwei Kunststofftanks angefangen. Und mittlerweile produzieren wir über 300.000 Flaschen aus einem Keller heraus, der zwar vorzeigefähig ist, aber nicht das, was ich gerne möchte. Ich hätte so viel Potenzial in der Ernte. Ich könnte noch mehr rausholen, wenn ich einfach mal die Gelegenheit, den Platz dazu hätte. Das ist im Moment tatsächlich wirklich mein größter Wunsch. Dass ich das noch umsetzen kann.

Aber generell bin ich sehr froh, wie ich mich im Moment aufgestellt habe und wie viel Spaß ich an diesem Beruf habe. Auch mit Euch und mit all den Leuten, die mich mittlerweile begleiten. Ich hoffe einfach, dass ich das noch lange, lange machen kann. Denn das weißt du ja nie, wie es dir irgendwann mal gesundheitlich gehen kann oder was passiert. Ich wünsche mir tatsächlich, dass ich das noch lange machen kann. Und dass mein Papa, der mir das auch ermöglicht hat, das noch ein bisschen miterleben darf. Das würde ich mir wünschen.

SB: Dem kann ich überhaupt nichts hinzusetzen, außer dass wir uns das auch wünschen. Dass du und deine Art uns noch ganz, ganz lange begleiten. Und das Thema Wein auf eine so schöne, genussvolle, entspannte Ebene heben. Was mir persönlich, aber wie ich auch weiß, allen anderen, einen ganz besonderen Spaß macht.

Mehr zu Tina Pfaffmann und ihren Weine auf ihrer Website

Und hier auch der Link zum Podcast mit ihr, denn das Original im Ohr ist natürlich unvergleichlich.

Und für alle, die das „Gedicht“ von Charlie Chaplin (das aber auch von der Autorin Kim McMillen stammen könnte, das ist nicht sicher) ganz lesen möchten – hier ist es:

Als ich mich selbst zu lieben begann,
konnte ich erkennen, dass emotionaler Schmerz und Leid
nur Warnungen für mich sind, gegen meine eigene Wahrheit zu leben.
Heute weiß ich: Das nennt man AUTHENTISCH SEIN.

Als ich mich selbst zu lieben begann,
verstand ich, wie sehr es jemanden beeinträchtigen kann,
wenn ich versuche, diesem Menschen meine Wünsche aufzuzwingen,
auch wenn ich eigentlich weiß, dass der Zeitpunkt nicht stimmt
und dieser Mensch nicht dazu bereit ist – und das gilt auch,
wenn dieser Mensch ich selber bin.
Heute weiß ich: Das nennt man RESPEKT.

Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, mich nach einem anderen Leben zu sehnen
und konnte sehen, dass alles um mich herum
eine Aufforderung war, zu wachsen.
Heute weiß ich, das nennt man REIFE.

Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich verstanden, dass ich immer und bei jeder Gelegenheit,
zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin
und dass alles, was geschieht, richtig ist –
von da an konnte ich gelassen sein.
Heute weiß ich: Das nennt man SELBSTVERTRAUEN.

 Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, mich meiner freien Zeit zu berauben,
und ich habe aufgehört, weiter grandiose Projekte für die Zukunft zu entwerfen.
Heute mache ich nur das, was mir Spaß und Freude macht,
was ich liebe und was mein Herz zum Lachen bringt,
auf meine eigene Art und Weise und in meinem Tempo.
Heute weiß ich, das nennt man EINFACHHEIT.

Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich mich von allem befreit, was nicht gesund für mich war,
von Speisen, Menschen, Dingen, Situationen
und von Allem, das mich immer wieder hinunterzog, weg von mir selbst.
Anfangs nannte ich das „Gesunden Egoismus“,
aber heute weiß ich, das ist SELBSTLIEBE.

Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, immer recht haben zu wollen,
so habe ich mich weniger geirrt.
Heute habe ich erkannt: das nennt man BESCHEIDENHEIT.

Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich mich geweigert, weiter in der Vergangenheit zu leben,
und mich um meine Zukunft zu sorgen.
Jetzt lebe ich nur noch in diesem Augenblick, wo ALLES stattfindet,
so lebe ich heute jeden Tag und nenne es ERFÜLLUNG.

Als ich mich zu lieben begann,
da erkannte ich, dass mich mein Denken
armselig und krank machen kann.
Doch als ich es mit meinem Herzen verbunden hatte,
wurde mein Verstand ein wertvoller Verbündeter.
Diese Verbindung nenne ich heute WEISHEIT DES HERZENS.

Wir brauchen uns nicht weiter vor Auseinandersetzungen,
Konflikten und Problemen mit uns selbst und anderen fürchten,
denn sogar Sterne knallen manchmal aufeinander
und es entstehen neue Welten.
Heute weiß ich: DAS IST DAS LEBEN !