„Was auch immer wir anbieten, es muss sich lohnen, darauf zu warten“
Cattleya Romero-Faude stammt von den Philippinen und hat in Genf ein soziales Start-up/eine Vereinigung gegründet, die ethische, gesunde, geschmack-volle und nachhaltige philippinische Spezialitäten anbietet. Ihr bisheriges Premium-Sortiment an Produkten im Einzelhandel: preisgekrönter Bio-Nektar aus 100% Kokosblüten in Pulverform und Nektar, 100% Bio-Kokosnussbutter und Brotaufstriche, 100% Vollkornreissorten einschließlich hochwertiger Pili-Nüsse.
In den sechs Jahren seit der Gründung haben Cattleya, ihre Schwester und das gesamte SAGANÀ-Team viele Herausforderungen und Hürden überwunden und enorm viel gelernt – vom Konzept über Prototypen bis hin zu Markttests, in der Schweiz und jetzt auch in Deutschland.
Im persönlichen Gespräch erzählt Cattlyea Romero-Faude warum es gut ist, wenn man aus einer Unternehmer-Familie stammt, warum Ihr Unternehmen immer unebdingt nachhaltig sein sollte und was so alles dazwischen kommen kann, wenn man eine neue Marke gründet.
Das Interview
Wie sind Sie auf diese Geschäftsidee gekommen?
Ich habe mir einen Traum erfüllt, den meine Schwester und ich schon lange hatten. Wir kommen aus einer Familie von Unternehmernn, so dass wir beide wussten, dass wir eines Tages unser eigenes ‚Unternehmen‘ mit Verantwortung und Gewissen“ haben wollten. Es sollte eines sein, das nicht ausschließlich auf Gewinn allein auf Kosten der Umwelt und der Menschen ausgerichtet war.
Und dass es philippinische Produkte sein sollten, lag dann natürlich nahe …
Ja. Während thailändische Lebensmittelprodukte in der ganzen Welt bekannt sind, kennt kaum jemand philippinische Produkte, Obwohl unser Land aus historischer Sicht vom 16. bis 18. Jahrhundert mit Agrarprodukten handelte und den Manila Galleonen Handel anführte, der Asien mit Europa und Mexiko verband.
Ähnlich wie in den Nachbarländern liegt die Stärke der Philippinen in ihren widerstandsfähigen, ländlichen Bauerngemeinschaften und den, dank den fruchtbaren landwirtschaftlichen Böden, reichhaltigen Ernten. Deshalb dachten wir, dass der Einstieg in ein nachhaltiges Agrobusiness am besten ist (kein Trend oder eine Modeerscheinung!), um die Selbstversorgung auf den Philippinen zu fördern, den Hunger und die chronische Armut zu verringern, auch weil die Menschen sich gesund ernähren müssen.
Nichtsdestotrotz hatten sowohl Sie als auch Ihre Schwester auch die richtige theoretische Grundlage dafür.
Ja, ich habe einen Abschluss in internationaler Wirtschaft, und meine Schwester hat einen Abschluss in Exportmanagement. Aber es ist ein großer Schritt von der Theorie zur Praxis. Und es besteht ein großer Unterschied zwischen dem Handel auf einem lokalen Markt, den Philippinen, und dem Export und der Erschließung eines neuen Marktes im Ausland – insbesondere des schweizerischen und deutschen Marktes. Und mindestens ebenso wichtig wie unser Studium waren die praktischen Erfahrungen aus unserer Familie.
Denn in einer Unternehmerfamilie haben Sie gelernt, was es wirklich bedeutet, ein „Unternehmer“ zu sein?
Genau, wir sind mit der Erkenntnis aufgewachsen, wie viel Arbeit es bedeutet, ein Unternehmen zu führen, und dass Erfolg nicht von heute auf morgen kommt, sondern oft Jahre dauert. Deshalb wusste ich, dass auch der Erfolg mit SAGANÀ nicht über Nacht kommen wird. Insbesondere weil es auch ein Social Business ist, das nicht den traditionellen Geschäftspraktiken folgt. Ein eigenes Unternehmen zu gründen, erfordert allerdings immer Zeit, Kraft, Belastbarkeit und viel Geduld. Denn es gibt auf dem Weg endlose Herausforderungen und Faktoren zu berücksichtigen gilt.
Sie sind aus privaten Gründen in die Westschweiz, nach Genf, gekommen, nachdem Sie mehrere Jahre in Thailand gelebt haben. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach ist, eine völlig andere Kultur kennen zu lernen, geschweige denn, vor diesem Hintergrund ein neues Unternehmen aufzubauen?
Es stimmt, alles ist völlig anders. Man muss nicht nur die Schweizer Kultur und Mentalität verstehen, sondern auch alle Vorschriften und natürlich das multikulturelle Konsumverhalten. Zum Beispiel war unsere erste Verpackung sehr bunt und mit vielen Bildern versehen. Aber dank eines Netzwerks von Unternehmern, die sich gegenseitig helfen und Ideen liefern, haben wir gelernt, dass der Markt für Gesundheit, Qualität und ethisch bewusste Premiumprodukte eher für gedeckte Farben und Einfachheit steht.
Wie haben Sie dieses Netzwerk kennen gelernt?
Ich habe bereits seit sechs Jahren in der Schweiz gelebt und an dem Konzept gearbeitet, als wir in Zürich einen Sozialbusinessplan-Wettbewerb gewonnen haben. Das hat uns wirklich weitergebracht, denn dort haben wir dieses Netzwerk für Social Entrepreneurs kennengelernt. Innerhalb von acht Monaten haben wir dann sehr viel Unterstützung erhalten. Unter anderem haben wir auch unsere heutige Schweizer-EU-Lebensmittelanwältin kennen gelernt, die uns bei allen rechtlichen Details, von der Schweizer-EU-Lebensmittelkennzeichnung bis zu den Zollbestimmungen, hilft. Ich bin so froh, Dr. Karola Krell von Foodlex an unserer Seite zu haben.
Ihr erstes Produkt war Kokosblüten-Nektar?
Ja, das ist unser Flaggschiff. Die Leute nennen ihn „Kokosnusszucker“, aber in Wirklichkeit ist er das nicht, sondern ein handwerklich hergestellter 100% natürlicher Süßstoff in Pulver- und flüssiger Form.
Und Sie haben sich vor Ort kleine Produzenten gesucht?
Von Anfang an haben direkt mit einem kleinen Hersteller (mit einer Produktionskapazität von 100 Tonnen jährlich) zusammengearbeitet. Schließlich sind wir einer qualitativ hochwertigen Produktion, Nachhaltigkeit und fairem Handel verpflichtet. Wir haben aber auch schnell gelernt, dass diese Zusammenarbeit ihre ganz eigenen Herausforderungen mit sich bringt. Denn diese kleinen Unternehmen sind natürlich nicht so flexibel wie die großen, und das mussten wir auf die „harte“ Art und Weise lernen.
Inwiefern auf „harte“ Art und Weise?
Wir hatten damals gerade einen großen Kunden für den landesweiten Vetribe gewonnen, den Supermarkt Manor, und waren sehr stolz. Und dann kam die 2. Lieferung aus den Philippinnen mit acht Monaten Verspätung, weil ihre erneute EU-Öko-Zertifizierung damals noch nicht fertig war! I
Das kann einem als junges Unternehmen auch den Hals brechen ..
Ja, ich bin auch heute noch sehr dankbar, dass dieser Kunde uns weiterhin vertraut und dass er geblieben ist. Es hat sicher geholfen, dass sie groß genug sind, um einen solchen Misserfolg zu überbrücken, und dass sie gerne ein Schweizer Sozial-Startup unterstützt haben.
Mehr noch, wir haben von Anfang an eine sehr transparente Beziehung zu Manor aufgebaut, haben konsequent Verkostungen in verschiedenen Geschäften organisiert und sind auch in dieser Situation immer offen und ehrlich gewesen.
Die Produktqualität hat aber doch sicher auch eine Rolle gespielt?
Da bin ich mir ganz sicher Es war keine Wohltätigkeit, denn wir bieten wirklich höchste Qualität. Saganà Coconut Sweetener gewann 2 Sterne bei der Great Taste 2019 in Großbritannien für seinen großartigen authentischen Karamellgeschmack und seine sehr feine Textur, die auf der Zunge zergeht! Das sage ich auch immer zu meiner Schwester: „Was auch immer wir anbieten, es muss sich lohnen, darauf zu warten.“ Wir können nicht alles kontrollieren, aber wir können zumindest sicherstellen, dass das, was zum Kunden kommt, von höchster Qualität ist.
Was haben Sie aus dieser Panne gelernt?
Zunächst einmal, dass es wichtig ist, Vertrauen aufzubauen, eine Beziehung zwischen uns und den Produzenten; dann zwischen uns und den Kunden. Es ist ein bisschen wie eine Ehe (sie lacht). Und zweitens, dass man für ein Produkt immer einen zweiten Lieferanten braucht. Das halten wir jetzt bei allen Produkten aufrecht.
Ein wichtiges Thema: Wie haben Sie dieses Projekt eigentlich finanziert?
Am Anfang war es mit Ersparnissen von rund 30.000 CHF selbstfinanziert. Dann kamen die ersten Einnahmen, mit denen wir natürlich weiter investieren konnten. Und wir haben einige Wandelanleihen an die Engel-Investoren von Saganà ausgegeben. Sie glauben an uns und das was wir tun, an unsere Anstrengungen und an das Potenzial. Wir suchen weiterhin nach Partnern und bleiben vorsichtig, um so wenig Kredite wie möglich zu haben.
Ihr zweites Produkt ist Vollkornreis?
Ja wir beziehen ihn direkt von zwei Reisbauern-Kooperativen mit zusammen 700 Mitgliedern. Bio-Vollkornreis ist weltweit ein gesundes Grundnahrungsmittel. Da wir unser Premium-Sortiment an gesünderen Alternativen für den Einzelhandel und als Massengut für verschiedene Lebensmittelbereiche erweitert haben, haben wir sehr schnell philippinische Vollkornreissorten in Rot, Schwarz und Braun hinzugefügt. Die Bio-Ware ist fertig, die Reisbauern verpacken und verkaufen sie.
Wie interessant ist für die Bauern dort der Exportmarkt?
Diese Reisbauern bevorzugen den Exportmarkt, weil sie faire Angebote für ihre biologisch-dynamisch angebaute Ernte erhalten. Denn angesichts des Zustroms von importiertem, poliertem Reis auf den Philippinen, möglich durch das kürzlich erlassenen Handelsgesetzes ohne Barrieren, können sie in Preis und Menge einfach nicht konkurrieren.
Dann haben Sie noch das Sortiment an Premium-Kokosnussbutter und veganen Aufstrichen hinzugefügt?
Das war eigentlich zunächst eine Art „Ersatzprodukt“ während der Zeit, in der wir auf die Lieferung unseres erstklassigen 100%igen Kokosnussblüten-Nektars warten mussten. Wir wollten in der Lage sein, schnell neue Produkte zu entwickeln und anzubieten, wie z.B. milchfreie Butter und alternative vegane Brotaufstriche aus gesalzenen, gerösteten und natürlichen Kokosnüssen. Dieses Mal haben wir mit zwei sehr etablierten Kokosnussherstellern zusammengearbeitet, um unsere innovativen Produkte zu entwickeln.
Und dann wählte uns die METRO im Oktober 2019 im Rahmen des NX Food Accelaratorprogramms aus. Auch das hat uns gezeigt dass wir auf dem richtigen Weg sind und bereit in den deutschen Markt einzutreten. Innerhalb von 2 Monaten waren wir in der Lage, unsere Etikettierung in Übereinstimmung mit der Schweiz und der EU zu erstellen, die Versuchscharge auszuliefern und die milchfreien Produkte von Dezember 2019 bis März 2020 an fünf Standorten von Hypermärkten (Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Köln und München) zu testen.
Jetzt wissen Sie, wie sehr wir Deutschen unserer Butter lieben. Das haben Sie mir schon im Vorfeld erzählt.
Ja, Es war eine großartige Erfahrung, während der Verkostungen herauszufinden, wie sehr die Deutschen ihre Butter lieben und welche Rezepte sie gerne zubereiten! Wenn wir jetzt die Qualität unserer Produkte beibehalten und aus unseren Fehlern lernen (sie lacht), dann können wir sehr schnell aufsteigen, jetzt, da wir wissen, wie wir die Dinge besser machen können.
Bei den Pili-Nüssen haben Sie sich entschieden mit einer anderen Marke zusammen zu arbeiten. Warum?
Es ist wie wir eine Premiummarke. Deswegen passen die hochwertigsten Pili-Nüsse aus den Philippinen perfekt in unser Sortiment. Wir haben sie erstmals im Dezember 2019 auf dem Weihnachtsmarkt in Genf eingeführt. Die Great Taste Supreme Champion 2018 Mount Mayon Pili Nuts – was für ein Name! – sind ähnlich wie Macadamia. E sind Vitamin-E-reiche Superfood-Nüsse, die einfach auf der Zunge zergehen! Es gibt sie nur auf den Philipppinen. Sie wachsen an den Ausläufern des majestätischen Vulkans Mount Mayon und ihr Verkauf unterstützt die Tradition, das Know-how und den Lebensunterhalt kleiner Pili-Nussbauern. Die Jahresproduktion liegt bei 400 Tonnen.
Wie sind Sie als neue kleines Unternehmen denn eigentlich auf den Philippinen angenommen worden?
Wir haben uns den Respekt der größeren Unternehmen und der Regierung erworben, indem wir vertrauensvoll mit den kleinen Unternehmen zusammenarbeiten. Schließlich sind wir auch das erste schweizerisch-philippinische Startup, das mit philippinischen Produkten in den Schweizer Markt eintritt. Und wir sind die erste Schweizer Premium-Marke für gesunden Lebensstil in philippinischem Besitz. Unsere Glaubwürdigkeit auf den Philippinen hat also stetig zugenommen.
Mehr noch, unsere philippinische Handelsgesellschaft, die unter meiner Schwester registriert ist (Einzelunternehmen), ist nun nach zwei Jahren fertig. Wir freuen uns, dass wir nun in Manila die qualitativ hochwertigsten Produkte des Landes auch wieder den Filipinos vorstellen und anbieten können.
Sie stoßen nicht auf Probleme, weil die Unternehmer mit zwei Frauen sprechen?
Nein, ganz und gar nicht! Auf den Philippinen ist die Kultur eigentlich eine Mischung aus östlich und sehr westlich. Nur um Ihnen eine Vorstellung zu geben. Wir hatten 300 Jahre spanische Kolonialisierung, gefolgt von 100 Jahren „Hollywood“, wie wir es nennen.
Westlich bedeutet leider noch gar nichts. Ich weiß von anderen Culinary Ladies, die mir erzählt haben, dass der Umgang mit Männern im Einzelhandel hier im deutschsprachigen Raum (meistens) nicht immer so einfach ist.
Es stimmt, ich sehe auch, dass es beispielsweise für Frauen in der Welt der Start-ups schwieriger ist, eine Finanzierung zu bekommen als für Männer. Und es ist komisch: Wir müssen viel mehr tun, um zu überzeugen. Wenn Frauen eine Präsentation halten, sind sie zu 100 Prozent vorbereitet, einschließlich der Zahlen. Manche Männer können einfach eine große Rede halten. Irgendwie gewinnen weniger Frauen Pitches oder Preise, es sei denn, es handelt sich um Wettbewerbe für Frauen. Ich glaube aber, dafür gibt auch Gründe, die bei den Frauen liegen.
Weil sie nicht mutig und selbstbewusst genug sind?
Ich denke schon, Frauen sind einerseits eher schüchtern und andererseits realistischer mit ihren Projektionen. Bei meinem Anteil an Ablehnungen und Misserfolgen ist es hilfreich, dass ich aus einer Unternehmerfamilie komme. Es macht mich viel risikofreudiger. Ich habe auch in drei sehr unterschiedlichen Ländern gelebt: Philippinen ( 21 Jahre), Thailand ( 9 Jahre ) und der Schweiz ( 11 Jahre ) , so dass ich sehr widerstandsfähig geworden bin. Das macht mir keine Angst mehr. Natürlich mache ich mir auch Sorgen, dass meine Rechnungen bezahlt werden müssen, aber diese Sorgen halten mich nicht davon ab, weiterzumachen. Ich finde jeden Tag wirklich spannend, auch wenn ich weiß, dass unser Geschäft noch nicht stabil ist, vor allem jetzt, wo die Zusammenarbeit auf Eis gelegt ist, bis sich die Pandemiesituation verbessert hat.
Wir sind ganz sicher, dass Sie das schaffen können und begleiten Sie natürlich gerne auf dem Weg.
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Demnächst wird es auch eine Crowdfunding-Kampagne geben. Bleiben Sie auf dem Laufenden und verbunden ! Wie? Melden Sie sich hier für den SAGANÀ-Newsletter an ; LIKE and SHARE auf Instagram und Facebook . 🙂