„Es sollte für den Gast egal sein, ob eine Frau oder ein Mann kocht“
Sterneköchin Sonja Frühsammer in Berlin gehört schon lange zu den besten Köchinnen Deutschlands, aber sie ist keine Frau der lauten Töne – ihr geht es beim Kochen wirklich vor allem um den Spaß. Dass dieser Spaß seit 2014 mit einem Michelin-Stern und 17 Punkten im Gault Millau ausgezeichnet wird, ist ihr natürlich wichtig. Und sie hat durchaus den Ehrgeiz, dass ihre Gerichte den Gästen in bester Erinnerung bleiben. Aber ihre Kraft schöpft sie nicht aus Auszeichnungen, sondern aus ihrer Familie, aus den beiden Kinder, die inzwischen schon erwachsen sind und aus der Liebe zu ihrem Mann, der selbst schon Sterne erkocht, aber in einem Interview einmal gesagt hat: „Meine Frau kocht viel besser, als ich es je konnte.“ Und obwohl Sonja Frühsammer findet, dass es für den Gast doch egal sein kann, ob eine Frau oder ein Mann kochen (womit sie natürlich recht hat), wurde sie schon bei Ihrer Lehre mit einer höchst merkwürdigen Aussage konfrontiert:
Anfang der 90er haben Sie sich bei verschiedenen Restaurants für eine Kochlehre beworben und bekamen zu hören: «Nein, wir stellen keine Frauen ein.» Im Ernst?
Die Begründung damals war: „die bringen das Team durcheinander“.
Wie bitte?
Ja, ich war auch etwas sprachlos – und bin dann eben zum nächsten gegangen,
Letztendlich haben Sie Ihre Lehre dann bei Siemens gemacht – das ist ja nicht unbedingt der direkte Weg zur Sterneküche?
Davon hatte ich damals ehrlich gesagt keine Ahnung. Ich hatte ja eigentlich studiert, und als Studentenjob als Küchenhilfe gearbeitet und dort es war es einfach sehr nett. Neben der Kantine für 600 Leute, haben wir im Vorstandkasino gekocht und da wussten wir, wie viele Gäste kommen und für die haben wir dann auf sehr gutem Niveau Menüs zubereitet. Und das war schon sehr spannend. Also habe ich beschlossen, eben dort meine Lehre zu machen. Eigentlich habe ich erst in der Berufsschule festgestellt, dass es wirklich noch bessere Restaurants gibt (sie lacht). Schließlich kannte ich das auch nicht von zu Hause. Und wenn ich damals mit Freunden essen gegangen bin, dann waren wir beim Jugoslawen oder in der Pizzeria.
Aber der erweiterte Horizont hat Sie auch ehrgeiziger gemacht?
Ja, als ich dann gesehen habe, was es da noch so gibt, war schon klar: Ich möchte natürlich zu den Top-Ten in Berlin. Also habe ich mir einen Restaurantführer genommen und mal geschaut, was es da gibt. Ein Kriterium war aber auch, wie die U-Bahn-Verbindungen sind – deswegen habe ich mich zum Beispiel damals nicht im Wirtshaus an der Rehwiese beworben, wo ja damals mein jetziger Mann Patron und Küchenchef mit einem Stern war. Vielleicht Schicksal. Aber ich wollte einfach mit dem Fahrrad nach Hause kommen können. Also habe ich mich für das Alt-Luxemburg bei Karl Wannemacher entschieden. Danach wollte ich eigentlich zu Jörg Sackmann in den Schwarzwald, doch dann wurde ich schwanger. Also habe ich mich entschieden hier zu bleiben.
Und damit wurde es mit einer Karriere als Spitzenköchin schwieriger?
Auf jeden Fall wurde es schwieriger aus Berlin weg zu gehen. So ist halt mein Lebenslauf ein bisschen langweilig. Das einzig Spannende ist, dass ich in Australien geboren bin.
Australien – wie spannend! sich das denn auf Ihr Leben oder auf Ihren Küchenstil ausgewirkt?
(sie lacht) Nee, leider auch nicht auf mein Englisch, aber ich war auch erst so knapp fünf Jahre alt, als meine Eltern wieder hierhergezogen sind.
Sie haben, auch als Ihre Kinder noch relativ klein waren, fast immer weiter gearbeitet. Wie haben Sie das geschafft?
Ich habe mir die Elternzeit für beide Kinder genommen, zwischendurch zum Beispiel im „Paris-Moskau“ ausgeholfen. Und als ich dann einen festen Job gesucht habe, den ich auch neben den Kindern machen konnte, bin zu meinem jetzigen Mann Peter gekommen, der einen Catering-Service hatte. Dazu gehörte auch eine ziemlich edle Kantine bei der Markendesign-Agentur MetaDesign. Dort wurde jeden Tag ein frisches Drei-Gang-Menü angeboten und dort habe ich mitgearbeitet! Und wir haben uns sehr verliebt!
Und über viele Umwege haben sich die beiden schließlich entschlossen das Restaurant Frühsammer zu übernehmen, dazu mehr im Buch. Ich muss ja schließlich noch neugierig machen
Sie sagen oft „wir“ kochen, wobei da wahrscheinlich eher das Team gemeint ist, oder? Denn Ihr Mann kocht ja nicht mehr mit.
Richtig, er ist vor allem Gastgeber und Sommelier. Und manchmal, zum Beispiel als das Bistro aufgemacht hat, hat er mal einen Tag übernommen. Da ist dann schon toll. Er ist ja auch ein Urschwabe und wenn er Spätzle macht, dann staunen alle Azubis. Das ist einfach echtes Kochen!
Aber es war von vorneherein klar, dass Sie die Küchenchefin sind? Immerhin war Ihr Mann ja mal mit 26 Jahren jüngster Sternekoch Deutschlands?
Eben, er hat schon so lange gekocht, selbst schon so viel erreicht, da hat er gar kein Problem damit, nicht mehr täglich am Herd zu stehen, im Gegenteil. Und außerdem kennt er sich hervorragend mit Weinen aus. Das gehört ja auch dazu. Dass er aber auch Koch ist, davon profitieren ich und die Gäste. Denn es ist toll, wenn wir zusammen die Menüs und eben die passenden Weine zusammenstellen.
Kann man Ihren Küchenstil beschreiben? Wollen Sie das überhaupt?
Naja, manchmal sage ich: Ich bin so eine Gemüsetante, weil es mich lange genervt hat, dass man im Restaurant immer viel Fleisch und viel Fisch bekommen hat und wenig Gemüse – inzwischen sind es ja Gels (lacht). Also jedenfalls achte ich schon immer darauf, dass eben neben Fisch und Fleisch noch viel anderes auf dem Teller liegt, was ich einfach selbst gerne esse. Aber den Küchenstil beschreiben … Auf unserer Website steht „Modern European Cuisine“ Und irgendwer hat mal gesagt: „Ach ja, Ihr kocht cross-over!“ Also ich weiß nicht. Natürlich ist mal etwas Asiatisches dabei, aber eigentlich macht das doch jeder. Man sucht sich doch überall das raus, was man selbst toll findet. Ich suche immer etwas, das der Gast noch nicht kennt, eine Kombination oder ein besonderes Aroma, eine andere Anrichteweise. Auch, weil das dann Spaß macht. Aber am wichtigsten ist mir eigentlich, dass der Teller nicht vergessen wird. Ich kenne es selbst, dass ich essen gehe und am nächsten Tag nicht mehr weiß, was ich gegessen habe. Wenn wir es schaffen würden, das immer irgendetwas dabei ist, bei dem der Gast sich erinnert, wie grandios es war, das wäre perfekt.
Ihre ganze Geschichte, mit allen Umwegen bis zum „Frühsammers“, warum sie selbst mal drei Jahre Vegetarierin war, ob man eine Beziehung zu Hühnern entwickelt, die man selbst aufzieht und „Bocuse“ nennt, gibt es in meinem Buch.
Hier also der Link zum Buch bei Geniallokal– selbstverständlich gibt es die „Frauen an den Herd“ aber auch im Buchhandel.
Bildnachweis: Frühsammers, Berlin