Ehrliche Worte

Porträt Kerstin Rapp Schwan

Düsseldorf) Kerstin Rapp-Schwan führt, inzwischen gemeinsam mit ihrem Mann, vier Schwan-Restaurants und    in Düsseldorf. Zudem ist sie Teil der Personalagentur Konen & Lorenzen. Vor kurzem hat die Journalistin Barbara Schindler ein Interview mit ihr geführt, in dem die Gastronomin sehr offen darüber spricht, dass ihr gastronomischer Weg alles andere als leicht war (siehe Link ganz unten). Ich habe Kerstin Rapp-Schwan kurz nach der Veröffentlichung dieses Interviews getroffen.

Oft hört man ja nur von Erfolgsgeschichten, was Deine letztendlich auch ist. Aber leider sprechen zu wenige darüber, dass der Weg dorthin oft alles andere als gerade war (und ist). Wie waren die Reaktionen auf dieses Interview?

Ein guter Bekannter (aus der Gastroszene) hat mir zum Beispiel eine SMS geschrieben: Hallo Kerstin, Gratulation zum Artikel. Du nimmst Dich ja hart ran. Diese Ehrlichkeit hätten viele Männer nicht.

Ich glaube tatsächlich, dass wir hier ganz allgemein keine so besonders gute Kultur des Scheiterns haben. Geschichten vom Underdog „verkaufen“ sich zwar gut, aber ein Auf und Ab und das Zugeben von massiven Fehlern (also nicht harmlosen kleinen Anekdoten) findet wenig statt. Und ein Underdog warst Du ja nicht …

(sie lacht) Nein, eigentlich im Gegenteil. Ich war sehr privilegiert, habe davon profitiert was meine Eltern mit viel Fleiß aufgebaut haben – aber dessen war ich mir auch immer bewusst.

Um doch einmal kurz zusammenzufassen: Dein Vater war Chef von Maredo und als solcher in der Branche sehr gut bekannt. Du selbst hast aber BWL studiert, in einer Unternehmensberatung gearbeitet. Dort hast Du den Bereich Online-Rekruting aufgebaut und mit einem Jahresbudget von damals sechs Millionen Mark verantwortet. Du hast in Hamburg, Deiner Heimatstadt gelebt.

Und Du warst 27, als Dein Vater Dich fragte, ob Du nicht Lust hättest, die vier damaligen „Spitz“ Restaurants in Köln, Düsseldorf und Mainz zu übernehmen. Das ist ja kein sooo naheliegender Gedanke. Wieso hast Du „ja“ gesagt?

 Ich bin ein sehr begeisterungsfähiger Mensch. Das ist ja nicht an sich schlecht ist, aber auch schon für den einen oder anderen Stolperstein in meinem Leben verantwortlich,  Und dann war ich schlicht und einfach naiv: Ich dachte: Vier Restaurants, das kann ich doch, ich habe ja immer im Service gejobbt. Ich glaubte damals auch, ich könne das von Hamburg aus managen und nur so drei Tage die Woche hier herkommen. Tatsächlich hatte ich dann hier in Düsseldorf eine kleine Wohnung und bin alle drei Wochen zum Wäsche waschen nach Hause gefahren!

Aber Du hast Dir doch das alles nicht wirklich einfach so alleine vorgestellt?

Nein, das lief tatsächlich auch ein bisschen anders als geplant. Erstens sollte ich es zunächst zusammen mit meinem Bruder übernehmen, der dann aber erst ein paar Jahre später für eine Weile eingestiegen ist. und dann gab es noch einen Branchenkenner, der mein Mentor sein sollte, was aber menschlich nicht funktionierte.  Und ich muss es heute so klar sagen: Ich hatte weder die Managementskills, noch die Branchenkenntnis und keine Ahnung von Mitarbeiterführung.

Im Interview mit Barbara Schindler schilderst Du auch ein paar Deiner Fehler.

Ja, aber die kann man gar nicht alle aufzählen: ich habe wirklich alles erlebt. Ich wurde mit dem Messer bedroht, hatte Einbrecher vor der Tür, die Mützen wie der  Kuklux-Klan trugen und noch so ein paar unschöne Geschichten. Aber ich stand auch knietief im Fettabscheider, weil der geleert werden musste. Ich habe durch meine Fehler gelernt, aber: Ich würde niemandem raten, diesen Weg so zu gehen. Lerne Gastronomie, bevor Du Gastronomie machst.

Aber es gibt ja doch viele Quereinsteiger – oder auch KöchInnnen, die zuvor „nur“ am Herd gestanden haben.

Ja – und es muss ja auch nicht unbedingt eine ganze Ausbildung sein. Aber ich kann nur jedem raten, der sich mit einem Restaurant, Wirtshaus, irgendeinem Gastronomie-Betrieb selbstständig machen möchte: Laufe ein halbes Jahr in einem anderen Betrieb mit, schau Dir an, was alles dazu gehört und ob Du das wirklich machen willst. Und dann besuche auch Theorie-Kurse, zum Beispiel in der DHA bei Merle Losem oder auch einigen IHKs, die da gute Angebote haben. Denn, wenn man mit so einem Projekt Geld verdienen will, sollte man beispielsweise schon wissen, wie sich ein Wareneinsatz zusammen setzt, wie die Personalkosten und was alles zu einem Budget dazu gehört. Wie viele Millionen werden jedes Jahr versenkt, weil sich die Leute diese Gedanken nicht machen!

Zurück zu Dir. Die ersten Jahre lief es …

… die ersten drei, vier Jahre war ich immer kurz vor dem Exitus. Aber ich dachte, wenn ich jetzt aufhöre, dann ist das Geld meines Vaters weg.

Ein ganz schöner Druck!

Ja, aber doch logisch. Mein Vater ist nur mit einem Rucksack aus Dresden abgehauen als die Mauer gebaut wurde, hat während seines Abendstudiums, eine Stunde entfernt, jeden Tag auf dem Bau gearbeitet und wenn er das heute erzählt, funkeln seine Augen noch immer vor Begeisterung. Und ich habe es, wie schon gesagt, dem Fleiß meiner Eltern zu verdanken, dass ich in eine so komfortable Situation geboren wurde. Und dann steckte mein Vater sein Geld statt in Aktien in mich – und mit mir ging „der Aktienkurs“ immer weiter runter. Das ist natürlich Druck.

Kam der Druck auch von außen?

Oh ja, es gab damals auch Menschen, die, natürlich immer schön hinter vorgehaltener Hand – aber die Branche ist dann eben doch klein – gesagt haben: „Die Kerstin hat so viel bekommen und jetzt verprasst sie Papas Geld, Das hat mich schwer verletzt, denn so war es eben gar nicht.“

Menschen reden leider oft, ohne die Geschichte dahinter zu kennen.

Auch das habe ich gelernt, es ist mir heute nicht mehr ganz so wichtig, was andere denken. Aber ich bin heute eben auch nicht mehr 27 sondern Mitte 40.

Ich will jetzt gar nicht so lange darauf eingehen, dass es ja dann doch irgendwann bergauf ging und heute erfolgreich läuft.

Dabei haben verschiedene Faktoren eine Rolle gespielt: Du hast Dich auf die Restaurants in Düsseldorf konzentriert, hast hier auch Fuß gefasst, Dein Bruder Axel hat drei Jahre mitgemacht und mit seinem Marketing-Knowhow auch die Marke Schwan gründlich und strategisch relauncht. Doch dann ging er wieder seinen eigenen Weg …

Er war mir wirklich eine große Hilfe, denn ich war so sehr im operativen Tagesgeschäft gefangen, dass ich nie wirklich an einer Strategie gearbeitet hatte. Und er hat geniale Ideen. Als er allerdings weg ging, war ich gerade schwanger – ein schwieriger Zeitpunkt.

Zu dem Dein Mann dann eingestiegen ist, der auch schon Gastroerfahrung hatte.

Ich hätte es alleine mit Kind nicht geschafft. Ich habe am 29. Oktober noch die Löhne frei gegeben und war nach einem Notkaiserschnitt am 4. November mit meiner Tochter wieder im Büro.

Macht das etwas mit einem?

Natürlich, aber es ist auch ok so. Damals konnte ich endlich sagen: Ich mache nur noch Düsseldorf. Inzwischen lebe ich gerne hier, eben auch mit meiner Familie und ich habe sogar gelernt, mal loszulassen.

Kannst Du Dir vorstellen, ganz loszulassen?

Ich glaube, ich werde nicht mein ganzes Leben lang operative Gastronomie machen. Ich bin ja jetzt schon bei der Personalberatungsagentur Konen & Lorenzen sehr aktiv – in ganz Deutschland. Aus dieser Arbeit entstehen ganz neue Projekte und Arbeitsgruppen, zum Beispiel zum Thema: Wohin entwickelt sich der Arbeitsmarkt?

Ist da nicht das Thema Frauen auch ein großes? Nicht nach dem Motto „Frauen-Power in der Gastro“, aber stattdessen „Gastro-Power durch Frauen“?

Ja in der Tat. Und es gibt Wege, selbst wenn die Frau die Hauptverantwortung für die Kindererziehung übernimmt. Natürlich muss da jeder Einzelne auch von alten Wegen abweichen. Aber wenn man sich mal auf neue Gedanken einlässt, gibt es doch nichts Flexibleres als Gastronomie!

Vielen Dank dafür, dass wir nochmal nachbohren durften

Das Interview mit Barbara  Schindler findet man hier

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Bildnachweis: Kerstin Rapp-Schwan