Wenn man unter Gourmets von Stefanie Hering spricht, dann leuchten sofort alle Augen. Dabei geht es bei den Produkten der Wahlberlinerin nicht etwa um das, was auf dem Teller ist, sondern um die Teller selbst. hering berlin, das ist wunderschönes modernes Porzellan. Ich habe Stefanie Hering in ihrem Showroom getroffen und mit ihr über den (durchaus auch monetären) Wert von Handwerk gesprochen. Denn Schönheit, die durch Handwerk entsteht ist nicht nur unbezahlbar, sie ergänzt auch jeden kulinarischen Genuss und, wie mir erst im Gespräch wieder mal richtig klar wurde, sie ist auch Speise für die Seele. Und unter Mädels: Das ist ganz ähnlich wie mit Kleidung, aber darauf kommen wir noch.
Gerade haben Sie einem Kunden erklärt, dass die hohen Dessertbecher den Gast auch dazu bringen, am Ende des Menüs nochmal „Haltung“ anzunehmen. Was für eine wunderbare Verbindung von Design, Funktionalität und Koch bzw. Küche!
Ich denke, für den perfekten Genuss des Gastes treffen sich Koch und Interior, also auch das Geschirr oder das Licht im Restaurant auf Augenhöhe. So entsteht am Ende immer ein Gesamtkunstwerk. Die engste Symbiose gehen dabei natürlich die Kulinarik und der Teller ein. Wenn sie an den Gast kommen, darf aber das eine nicht das andere zerschlagen, gemeinsam müssen sie das höchste Niveau erreichen, dann ist es Kunst für mich.
Sie denken also bei der Kreation immer auch an die Speisen?
Mir geht es dabei immer um die Architektur auf dem Tisch, die dabei entsteht. So wie Köche ihre Gänge von der Vorspeise über die Hauptspeise bis zum Dessert durchkomponieren, so komponieren wir die Teller: ein Paukenschlag am Anfang, dann sanftes Wellengleiten bis am Ende das große Finale kommt. (sie lacht) Eigentlich ist das wirklich so ähnlich aufgebaut wie eine Oper. Und bei allem muss man immer an den Gast denken und wie er sich dabei fühlt. Und gerade im Bereich der Sterneküche muss es ein Zusammenspiel von Qualität und letztendlich auch von Handwerk geben
Warum ist Handwerk auch in Ihrem Bereich eigentlich so wichtig? Können schöne Teller nicht auch industriell hergestellt werden?
Da ich inzwischen auf beiden Seiten tätig bin, weiß ich ganz gut was möglich ist. Für mich war es aber immer wichtig, das Handwerk sichtbar zu machen. Ich muss sichtbar machen, dass Menschen dahinter stecken, die diese Dinge erschaffen. Sonst habe ich nicht die Berechtigung mich Manufaktur zu nennen. Ich habe die begabtesten Handwerker, die für mich arbeiten und kann so ganz andere Ideen herauskitzeln. Mir geht es auch darum, eine Zunft für die nächste Generation zu erhalten und auch das schafft man nur, indem man die Handwerks-Kunst sichtbar macht. Da kämpfen wir übrigens Seite an Seite mit den Köchen.
Das stimmt wirklich. Auch in der Kochkunst wird oft das Handwerk nicht gesehen. Es ist schon klar, dass man sich nicht jeden Tag Sterneküche leisten kann, aber wenigstens sollte man sehen, dass hinter dieser Küche eben auch ein ganz anderes Handwerk steckt.
Genau. Denn schon sind wir wieder bei der klassischen Diskussion: Was ist denn teuer? Ist ein Essen teuer oder billig, ist ein Teller teuer oder billig? Ich glaube, das ist die falsche Frage. Man muss sich einfach selbst fragen, was ist es mir wert? Was ist es mir wert, wenn ich eine Teetasse jeden Morgen aus dem Schrank hole oder meinen Teller aus dem Regal. Wenn ich mich selbst darüber freue, einfach weil er wunderschön ist – und sich mein Gast mindestens genauso darüber freut. Ich würde sagen, das ist der Mehrwert an dieser Stelle, die Freude die beim mir und/oder meinen Gästen entsteht und damit auch der Respekt vor der Arbeit, die diese Schönheit entstehen lässt.
Und diese Arbeit wird noch nicht mal in Stunden berechnet. Wenn ich heute den Elektriker bestelle, dann zahle ich Anfahrt und Stundenlohn und bin für eine kurze Reparatur mindestens 100 Euro los.
Wir reden hier natürlich von einem gewissen finanziellen Niveau. Aber gerade dort kümmert sich doch inzwischen jeder darum, das beste Fleisch zu kaufen, die besten Eier, die besten Zutaten, ökologisch produziert, fair produziert. Und das ist auch wunderbar. Aber warum soll das bei Porzellan nicht gelten? Wenn man auf diesem Niveau unterwegs ist, kann es doch nicht beim Porzellan aufhören.
Für mich sind das Entscheidungen. Ich kann in ein Straßentheater gehen, in die Komödie oder in die Oper. Nicht alles ist gut für jeden Tag und natürlich kann ich mir wahrscheinlich nicht alles jeden Tag leisten. Aber wenn ich es mir dann leiste, dann kann ich es umso mehr genießen.
Aber entstehen nicht durch gerade dieses„nicht jeden Tag“ eher bizarre Situationen: Man hat wunderbares Porzellan im Schrank, holt es aber nur an besonderen Tagen heraus – also fast nie? Ist es nicht schade, dass man schönes Geschirr nur zweimal im Jahr verwendet? Ich ertappe mich gerade selbst, muss ich zugeben …
Ja, das ist eigentlich der größte Wahnsinn. Unsere Schränke sind voll mit Porzellan oft noch von den Großeltern. Und gleichzeitig kommen Kunden zu mir und sagen: „Oh, ich kaufe so teuer Teller lieber nicht, da habe ich ja Angst sie könnten kaputt gehen.“ Dann frage ich sie, wie lange sich das Porzellan ihrer Großeltern schon hält –und warum sie glauben, dass jetzt plötzlich alle Teller runterfallen. Man kauft sich doch auch keinen Kaschmirpullover mehr, weil man einen mal in der Waschmaschine versenkt hat. Wenn Du Dir aber überlegst, wie viel Freude und Glück dir deine schöne Tasse bereitet, die du jeden Morgen aus dem Regal holst und wenn du dann ausrechnest, wie viel Cent sie dich am Tag kostet, selbst wenn sie irgendwann kaputt geht ….
Wenn ich so darüber nachdenke: Das ist eigentlich ganz gut vergleichbar mit der Situation, wenn man morgens einfach das erstbeste Kleidungsstück anzieht oder lieber etwas, in dem man sich richtig gut fühlt – dann wird es gleich ein ganz anderer Tag“.
Richtig, das hat mir eine Freundin meiner Mutter auch immer gesagt: „Don’t forget, you might meet your ex-boyfriend!“ Abgesehen davon, wenn man sich sorgfältig überlegt, in welchen seiner Kleidungsstücke man sich wirklich wohl und stark fühlt dann braucht man auch plötzlich weniger Teile, einfach, weil die, die man hat, genau die richtigen sind, die ich jeden Morgen mit Vergnügen anziehe. Und genauso ist das mit Porzellan.
Aber wenn ich den Kleiderschrank ausmiste, dann kann ich die Kleider zum Recyclen oder in den Second-Hand geben. Was mache ich denn mit Porzellan?
Das fragen mich die Kunden auch oft. Sie trauen sich halt nicht, das Porzellan einfach wegzuwerfen, da ist ja auch eine Form des Respekts dem Handwerk gegenüber. Aber andererseits gibt es da draußen viele Menschen, die sich über Geschirr freuen würden. Dann habe eben auch mal Menschen, die sich das sonst nicht leisten könnten, schönes Porzellan (ob sie es nun erkennen oder nicht). Wen man es nicht mehr haben möchte, dann kann man es doch auch hergeben. Kleider gebe ich schließlich auch in die Altkleidersammlung ohne mir zu überlegen, was sie mal gekostet haben.
Während wir hier so reden und ich die vielen schöne Stücke um uns herum sehe, nehme ich mir gerade ganz fest vor, auch meine schönen Stücke mehr zu ehren. In letzter Zeit war ich viel unterwegs und habe ziemlich durcheinander gegessen.
Ich glaube, sich a) ein bisschen Zeit zum Kochen zu nehmen und sich b) dann auch optisch zu verwöhnen (auch wenn man alleine ist), das steigert nicht nur den Genuss, sondern lässt auch bewusster genießen (und damit auch nicht einfach reinschlingen) Hiermit ist der Vorsatz gefasst!
Das ist genau richtig. Wir haben auch einen Kunden, der sehr auf gesunde Ernährung setzt. Die wollten zuerst ganz einfache Teller, aber ich habe ihnen erklärt. „Du kannst doch nicht eine einzelne Karotte auf einen langweiligen Teller setzen. Du musst sie auf einen wunderschönen Teller setzen, dann genießen die Gäste sie auch. „
Jetzt kommen wir aber doch noch mal zu Ihrer Karriere. Wie sind Sie denn eigentlich zu Sternegastronomie gekommen?
Ich war 2004 auf einem Kongress, auf dem sich alle Keramikhersteller und –designer aus ganz Europa treffen. Es war irgendwie eine merkwürdige Stimmung dort, weil keiner wahrhaben wollte, dass sich die Kulinarik (nicht nur die Sterneküche) auch international verändert und dass man den volldekorierten Teller nicht mehr braucht. Aber von den Großen wollte keiner auf diesen Trend aufsteigen. Ich schon und habe beschlossen, ab 2005 das Geschirr des 21. Jahrhunderts zu machen.
Die Sterneküche hatte ich da noch gar nicht so im Blick, weil ich dachte: die geben nie so viel Geld für einen Teller aus. Aber durch einen guten Freund, der zuvor Deutschlandchef von Veuve Cliquot war, habe ich dann doch erste Kontakte geknüpft. Er meinte damals nur: „Die, die es draufhaben, die leisten sich das.“ Und dann finge es an mit Johannes King auf Sylt, dann Thomas Bühler, Winkler und dann kamen auch die internationalen Guy Savoir, Thomas Keller in New York. Der hat mal über meine Teller gesagt. „Oh they are do damn good. They are bloody expensive, but damn good.“
Und damit ging es steil bergauf. Nun haben ja viele Frauen auch leider nicht den Mut solche Schritte zu gehen, oder die Familie steht tatsächlich oder vermeintlich im Weg. Sie haben selbst zwei Kinder.
Ja die habe ich währenddessen bekommen. Ich habe mich ja schon mit 24 in Berlin Prenzelberg selbstständig gemacht, nachdem ich vorher inklusive Lehre, Gesellenzeit und nochmal Studium neun Jahre Ausbildung hinter mir hatte. Damals dachte ich, ich probiere das mal aus mit meinen Oberflächen (das matte Bisquitporzellan ist Markenzeihen von Stefanie Hering). Und als meine Tochter 1996 zur Welt kam, habe ich mir wirklich überlegt, ob ich alles ein bisschen zurückdrehe und nur noch als Manufaktur weiter machen. Aber dann habe ich einen großen und gut dotierten Preis gewonnen ….
Dann kamen 1999 Wiebke Lehmann und Götz Esslinger, mit dem ich auch verheiratet war, ins Team dazu und wir haben hering Berlin aufgebaut und als Marke stabilisiert. 2016 schied Götz aus dem Unternehmen aus und vor einem Vierteljahr auch Wiebke. Jetzt führe ich alles alleine. Und dazu braucht man wirklich Mut. Und tolle Mitarbeiter, die loyal hinter einem stehen.
Und dann funktioniert es auch mit Familie?
Dann funktioniert es auch mit Familie. Natürlich ist es eine Herausforderung Beruf und Familie zu meistern und manchmal bleibt auch etwas auf der Strecke wie man ja an meinem Privatleben sieht. Aber man kann es schon für viele Jahre hinbekommen. Das ist aber auch das Leben, das hat einfach viele Facetten. Und meine Kinder sind wirklich gut geraten und sie sind auch stolz darauf, dass ich nicht so eine Tiger-Mom bin. Die beiden sind definitiv meine besten Produkte.
Vielen Dank für dieses ausführliche Gespräch. Ich muss jetzt zu Hause sofort meine Geschirrschränke einmal ernsthaft durchforsten …
Alles über Stefanie Hering und ihre wunderschönen Produkte auch www.heringberlin.de
Bildnachweis: hering Berlin