Karen Schröder Berg hat einen eigenen „Stand“ für Käse, ein wenig Wurst und Antipasti in der Galeria Kaufhof am Alexanderplatz in Berlin. Insbesondere für ihre Käse kommen viele Kunden zum „Giovannis“, die sonst eher nicht im Kaufhaus einkaufen. Wie das trotzdem ganz gut zusammenpasst, später. Das Geschäft hat sie gemeinsam mit ihrem Mann geführt, der im letzten Jahr verstorben ist. Dieser große emotionale Einschnitt hat sie aber nicht aus der Bahn geworfen, sondern inzwischen dazu gebracht, sich ihrer eigenen Stärken bewusst zu werden. Denn nicht umsonst, sind die Kunden schon immer beeindruckt davon, mit welcher Achtung Karen Schröder Berg ihnen ihre Produkte verkauft
Ja, das war vor 20 Jahren. Mein Mann, der deutlich älter war als ich, hatte zuvor als Setzer und Lektor gearbeitet und dann eine eigene Firma im Bereich Druckindustrie gehabt. Doch das wurde ihm alles zu viel, er verkaufte die Firma, und erwarb dafür in der Toskana einen Bauernhof , auf dem er unter anderem sein Olivenöl selbst machte. Und irgendwann fing er damit einen Handel an – daraus ist das Giovannis entstanden. „Giovanni“, das war natürlich mein Mann Hans – den in Italien aber alle nur Giovanni genannt hatten.
Sie haben sich in Italien kennen gelernt?
Nein, das war, als er mit dem Handel schon wieder nach Berlin zurückgekommen war. Ich war tatsächlich erst einmal Kundin bei ihm – und irgendwann ist über die Liebe zu den Produkten auch unsere Liebe entstanden und mittlerweile haben wir auch einen 18jährigen Sohn.
Da ging die Liebe doch wortwörtlich durch den Magen!
Das kann man so sagen. Doch leider ist mein Mann vor zwei Jahren sehr krank geworden und letztes Jahr gestorben. Ich kann heute gut darüber reden, aber das war schon ein wahnsinniger Einschnitt. Natürlich weiß man, dass das zum Leben dazu gehört, aber wir blenden dieses Thema ja immer aus, es muss doch alles jung und dynamisch sein. Und auch wenn jemand krank ist, man lebt dann so sehr im Augenblick bis da ein wirklich der Schnitt kommt.
Hat Sie das nicht aus der Bahn geworfen?
Ich war erstmal zwei, drei Monate wie paralysiert. Aber aus heutiger Sicht, sehe ich auch, dass es ein Neuanfang war. Ich bin wieder auf mich zurück geworfen und dafür bin ich dankbar. All die Jahre habe ich bei uns den Hintergrund gemacht und mein Mann alles nach außen – und das war auch ok so. Natürich sind wir immer zusammen zu den Produzenten gereist, aber die letztliche Produktauswahl, die Konzepte und die Texte, das alles hat mein Mann gemacht.
Und das haben Sie jetzt übernommen?
Ja – und das Schöne daran ist. Ich konnte vom ersten Tag an weitermachen, denn es war ja alles da. Und ich habe sowieso immer das Gefühl, er sei dabei. (sie lächelt) Und jetzt machen ich auch noch mein Kontor mit Weinschule und Käseverkostungen. Das haben wir auch gemeinsam angefangen, sind aber in den letzten beiden Jahren gar nicht dazu gekommen, es fertig zu machen. Jetzt hatte ich meine erste Käsetafelrunde. Da kommen acht bis maximal zehn Leute und wir verkosten Käse wirklich satt. Die Idee ist entstanden weil wirklich viele Kunden gefragt haben, ob man unsere Käse nicht mal in Ruhe verkosten könne.
Wir müssen doch noch mal einen Schritt zurück gehen: Was haben Sie denn gemacht, bevor Sie Ihren Mann kennen gelernt haben? Hatten Sie schon mal etwas mit Lebensmitteln oder Gastronomie zu tun?
Tatsächlich hatte ich kurz davor fünf Jahre ein Restaurant gehabt. Aber damals habe ich mich ehrlich gesagt mehr mit den betriebswirtschaftlichen Themen beschäftigt als mit der Lebensmittelqualität. Diese wirkliche Achtung vor den Lebensmitteln und ihren Produzenten kam erst durch meinen Mann.
Aber sie hatten einen Gastro-Beruf gelernt?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe ursprünglich mal Ingenieurwesen studiert, damals noch in der DDR. Und mit der Wende war mein Job weg, Dann habe ich als Sprachenführerin für Journalisten gearbeitet, da ich sehr gut Russisch spreche. Das war eine spannende Zeit, denn wir haben Reisen zu indigenen Völkern gemacht oder in eine Region, in der Erdöl abgebaut werden, wo aber noch Nomaden leben, die man von von dort verrteiben möchte. Wie gesagt, das war eine spannende Zeit, aber man ist auch Schicksalen begegnet, die einem sehr ans Herz gegangen sind.
Also man kann wirklich nicht sagen, dass Sie ein langweiliges Leben haben!
Sie sprachen aber gerade auch von der Achtung vor den Lebensmitteln …
Ja, durch meinen Mann habe ich plötzlich ganz andere Produkte in der Hand gehabt und ganz andere Informationen. Das ist mir heute noch ein anliegen. Jeder Kunde, der an den Stand kommt, soll etwas an Achtung für das Lebensmitteln mitbekommen. Sei es durch die Handbewegung, wie ich es über den Tresen geben oder über die Geschichte der Produzenten. Sie sollen ein wirkliches Gefühl dafür bekommen und das dieses Produkt, dieser Käse nicht irgend etwas ist, was man hin sich hineinschlingen – oder schütten sollte. Etwas das traditionell und mit guten Zutaten produziert wird. Wenn ich so ein Lebensmittel zu mir nehme, dann habe ich auch selbst etwas davon.
Das war jetzt aber ein leidenschaftliches Plädoyer. Ich muss aber nochmal nachfragen: Die Handbewegung wie ich es über den Tisch reiche?
Ja – das ist mir selbst nie so aufgefallen, bis ein Kunde mal meinem Mann sagte. „Mensch, wenn ich bei Ihrer Frau kaufe, trau ich mir immer fast gar nicht es zu essen. Sie reicht mir das immer so mit beiden Händen über den Tresen, wie etwas ganz Kostbares.“ Also essen sollte man die Produkte natürlich schon (sie lacht) aber in der Tat sind es doch oft Kleinigkeiten, die den Respekt vor dem Produkt zeigen. Wie behandelt man etwas, wie packte man es ein und wie gibt man es eben dem Kunden in die Hand. Das schleicht sich auch beim Kunden ins Unterbewusstsein: Das ist etwas Besonderes!
Sie können natürlich auch immer viel zu den Produkten erzählen. Kennen Sie denn die meisten Produzenten persönlich?
Ich habe unsere Produzenten mindestens einmal vor Ort gesehen. Dann erfährt man deren Geschichte, sieht warum etwas was kostet. Oder was das Besondere an eben diesem Käse ist. Zum Beispiel der Camembert, den es auch auf der Eat Berlin geben wird. Das ist eine Käserei, bei der man am Rand durch einen Gang gehen kann und durch Glasfenster in die Käserei schauen.
Sonst sind eigentlich die Käser gerne bereit einem alles zu zeigen, aber hier gibt es eben nur die Glasscheibe. Aber dann steht da plötzlich ein Korb mit Heu. Und er fordert einen auf daran zu riechen und erzählt, dass die Kühe für einen Käse eben nur Heu fressen. Wer weiß denn schon, dass daher der Name Heumilchkäse kommt – und leider viele Kühe eben kein Heu sondern nur noch Silofutter zu fressen bekommen. Und wenn ich jetzt diesen Camembert in der Hand habe, dann denke ich immer an das Heu.
Ihr Stand ist in der Galeria Kaufhof – bei aller Qualität der Lebensmittelprodukte dort – ist das nicht gerade der Ort, wo ich nach sehr individuellen Käsen suchen würde …
Ach das haben wir schon oft gehrt (sie lacht) Auch wenn mein Mann manchmal bei Käfer in München Veranstaltungen gemacht hat und die Kunden dann gehört haben, wo unsere „Zentrale“ ist, haben sie oft gefragt: „Was machen Sie denn da?“ Und ja, wir sind zwei Stufen über den normalen Niveau dort. Aber erstens ist ein schönes Haus und zweitens hat man dort auch viel mehr Gesprächsstoff. Wissen Sie Leute, die immer gute Produkte kaufen, die finden überall etwas. Aber hier kann man viel mehr Leute begeistern.
Ihr Angebot umfasst aber nicht nur Käse?
Aber der Käse ist schon der Schwerpunkt. Ich habe immer aktuell so 120 verschiedene aber insgesamt ist es so das Dreifache, was ich zur Verfügung habe. Es gibt welche die sind immer da, so wie der „Weltmeister Gruyere“ und die Camemberts. Aber wir wechseln auch, mal kommen die Belgier wieder, dann wieder neues aus Frankreich, dann ein große Paket von Holländischen Bauernhöfen. Aber wir haben auch Wurst und Schinken, richtig gute Schinken zum Beispiel aus Spanien, Salami und ein bisschen Antipasti und Brotaufstrich um das Sortiment abzurunden. Und immer noch Olivenöl aus der Ölmühle in Italien, mit dem alles angefangen hat.
Aber Giovanni ist auf alle Fälle nicht mehr nur Italienisch?
Nein, damit hat es angefangen. Und es ist schon spannend, was es dort schon alleine für unterschiedliche Produkte macht. Aber bei Käse landet man dann automatisch irgendwann in Frankreich. Also sind auch richtig schöne französische Produkte dazu gekommen. Aus der Gegend um La Rochelle haben wir einen ganz besonderen Ziegenkäse, aber auch tolle Produkte aus dem Baskenland und der Normandie. Aus Hervé kommt einer meiner Lieblingskäse, den es in so einem kleinen Würfel gibt, der ist so richtig schön kräftig.
Eine Frage in „eigener“ Sache. Sind eigentlich die meisten ihrer Produzenten Männer?
Ja , nach außen sind es schon mehr Männer – aber sehr oft ist die Frau mindestens genauso ins Geschäfts involviert. Aber es gibt auch ein paar Frauen. Zum Beispiel bei einem wunderbaren Maroilles. Das steht die Frau vorneweg und der Mann ist mit den Kühen unterwegs. Die beiden Töchter sind auch involviert. Und die Familie hat übrigens auch einen ganz tollen Keller und ein Tonnengewölbe, in dem die Käse lagern.
Bevor ich es vergesse: Sie erwähnten vorher den „Weltmeister Gruyere“. Wie kommt es denn zu dem Namen?
Ganz einfach, der ist bei einem internationalen Wettbewerb Sieger aller Klassen geworden. Wir waren dort vor Ort, kurz nachdem der Käser von diesem Wettbewerb zurück gekommen war – und das ganze Dorf war noch ihm zu Ehren geschmückt. Und deswegen ist das eben unser Weltmeisterkäse!
Es macht sehr viel Spaß Ihnen zuzuhören – und ich freue mich nun ersten den Abend der Culinary Ladies in Berlin und zweitens auch darauf, Sie bei Giovannis zu besuchen.
Bildnachweis: Titelbild: Lotte Ostermann, alle anderen: Stephanie Bräuer